06 November 2002

BGH hebt Freisprüche für Politbüromitglieder auf

Freisprüche dreier Mitglieder des Politbüros aufgehoben

Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft den drei Angeklagten vor, sie hätten während ihrer jeweiligen Mitgliedschaft im Politbüro des Zentralkomitees der SED der DDR einen Totschlag durch Unterlassen begangen. Ihnen werden – im einzelnen differenziert – die Tötungen von vier Flüchtlingen zu Last gelegt, die in den Jahren 1984 bis 1989 an der Berliner Mauer durch Grenzposten der DDR erschossen wurden, als sie versuchten, die Grenzsperranlagen zu überwinden. Das Landgericht Berlin hat die Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und einer Nebenklägerin diese Freisprüche aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen. Dabei hat der 5. Strafsenat befunden, daß alle Mitglieder des Politbüros als höchsten Machtorgans der DDR verpflichtet waren, zum Schutz des Lebens von Flüchtlingen auf eine Änderung des praktizierten Grenzregimes hinzuwirken. Diese Pflicht ergab sich aus der Verfassung der DDR von 1968, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 1948). Zu der gebotenen Humanisierung des Grenzregimes wäre nicht etwa die Öffnung der Grenzen der DDR zum westlichen Teil Deutschlands oder der Abbau der mechanischen Sperrwerke an dieser Grenze erforderlich gewesen. Vielmehr hat die Praxis der DDR bei besonderen Anlässen, wie Staatsbesuchen und Parteitagen, als Erschießungen an der Grenze – bzw. Nachrichten hiervon – vermieden werden sollten, gezeigt, daß etwa eine Postenverdichtung an der Grenze es ermöglichte, Flüchtlinge handgreiflich zu stellen, statt sie aus größerer Entfernung zu erschießen. Zumindest in diesem Sinne hätten die Angeklagten sich im Politbüro äußern und entsprechende Anträge stellen müssen. Die Angeklagten können sich nicht erfolgreich darauf berufen, daß jeder einzelne von ihnen möglicherweise im Politbüro mit der ihm gebotenen Initiative an einer entgegenstehenden Mehrheit gescheitert wäre. Dies knüpft an die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an und steht auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichts der DDR zu Fällen, in denen mehrere parallel Verantwortliche die Rettung von Menschenleben oder den Schutz menschlicher Gesundheit unterlassen hatten.

Im landgerichtlichen Urteil wird darauf hingewiesen, daß der Angeklagte Professor Häber zahlreiche Kontakte in die Bundesrepublik Deutschland hatte und "kleine Schritte" unternahm, um "in Fragen der Grenze und der Freizügigkeit eine Änderung zum Besseren herbeizuführen". Es erscheint nicht völlig ausgeschlossen, daß Professor Häber damit gar derjenigen Handlungspflicht nachgekommen ist, die ihm als Mitglied des Politbüros oblag. Bei Professor Häber kommt allerdings auch eine Strafbarkeit wegen Totschlags aufgrund seiner Mitwirkung an einem Beschluß des Politbüros in Betracht, durch den die Praxis des Grenzregimes bestätigt wurde. Wegen Mitwirkung an diesem Beschluß sind die Mitglieder des Politbüros Krenz, Kleiber und Schabowski rechtskräftig verurteilt worden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1999, BGHSt 45, 270). Im Falle einer entsprechenden Verurteilung Professor Häbers wären Aktivitäten der genannten Art für die Strafzumessung ganz erheblicher Bedeutung.

Urteil vom 6. November 2002 – 5 StR 281/01
Karlsruhe, den 6. November 2002
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

22 März 2002

BVerfG zu Mobilfunkanlagen

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Mobilfunkanlage

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat eine
Verfassungsbeschwerde (Vb) nicht zur Entscheidung angenommen, die die
Bewertung der Gesundheitsgefahren durch Elektrosmog betraf. Die Klage
des Beschwerdeführers (Bf) gegen eine in der Nähe seines Grundstücks
gelegene Mobilfunkanlage, die nach seiner Auffassung seine Gesundheit
schädige, war vor den Verwaltungsgerichten gescheitert. Auch die Vb
blieb erfolglos. Die Kammer führt zur Begründung der
Nichtannahmeentscheidung im Wesentlichen aus:

1. Zum Schutz vor den nachweislichen Gefahren elektromagnetischer
Strahlen legt die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung Grenzwerte fest,
die nicht überschritten werden dürfen. Die Frage, ob auch solche
elektromagnetischen Strahlen die menschliche Gesundheit schädigen
können, welche die geltenden Grenzwerte einhalten, ist seit längerem
Gegenstand internationaler und fachübergreifender Forschung, die von
verschiedenen nationalen und internationalen Fachkommissionen begleitet
wird. Um die Forschungsarbeiten laufend sichten und bewerten zu können,
hat auch die Strahlenschutzkommission (Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt) eine Arbeitsgruppe mit Experten der
verschiedenen betroffenen Fachrichtungen (Medizin, Biologie, Physik,
Epidemiologie) gebildet; außerdem fördert die Bundesregierung Vorhaben
zur Erforschung der Auswirkungen elektromagnetischer Strahlen auf den
Menschen.

2. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das OVG aus
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG keine Pflicht des Staates gefolgert hat, die
geltenden Grenzwerte zum Schutz vor Immissionen bereits dann zu
verschärfen, wenn noch keine verlässlichen wissenschaftlichen
Erkenntnisse über deren gesundheitsschädliche Wirkungen vorliegen. Eine
Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen
besteht nicht. Die geltenden Grenzwerte könnten nur dann
verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar ist, dass sie
die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Das Grundrecht
auf Leben und Gesundheit verlangt nicht von den Gerichten, den
Verordnungsgeber auf einer wissenschaftlich ungeklärten Grundlage zur
Herabsetzung von Grenzwerten zu verpflichten, weil nachteilige
Auswirkungen von Immissionen auf die menschliche Gesundheit nicht
ausgeschlossen werden können. Es ist vielmehr eine politische
Entscheidung, ob in einer solchen Situation der Ungewissheit
Vorsorgemaßnahmen durch den Staat ergriffen werden sollen.

3. Mit der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der
Gesundheit ist es auch vereinbar, dass das OVG eine eigenständige
Beurteilung der Schutzeignung der geltenden Grenzwerte durch Einholung
von Sachverständigenbeweisen von der konkreten Darlegung abhängig
macht, dass gesicherte Erkenntnisse anerkannter Stellen von erheblichem
wissenschaftlichem Gewicht vorliegen, welche die Grenzwerte als
überholt erscheinen lassen. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist
es Aufgabe des Verordnungsgebers und nicht der Gerichte, die einmal
getroffene Vorsorgeentscheidung mit Blick auf den Fortschritt der
wissenschaftlichen Erkenntnis unter Kontrolle zu halten. Diese
Verteilung der Verantwortung für die Risikoeinschätzung trägt auch den
nach Funktion und Verfahrensweise unterschiedlichen
Erkenntnismöglichkeiten beider Gewalten Rechnung. Durch die Betrachtung
einzelner wissenschaftlicher Studien kann kein konsistentes Bild über
die hier vorliegende komplexe, wissenschaftlich nicht geklärte
Gefährdungslage erlangt werden. Eine kompetente Risikobewertung setzt
vielmehr die laufende fachübergreifende Sichtung und Bewertung der
umfangreichen Forschung voraus. Diese Gesamteinschätzung kann die auf
den konkreten Streitfall bezogene gerichtliche Beweisaufnahme nicht
leisten. Solange die Situation der Ungewissheit über eine komplexe
Gefährdungslage andauert, kommt es daher für den Schutz der Gesundheit
verstärkt darauf an, dass sich die Exekutive in geeigneter Weise des
wissenschaftlichen Sachverstandes versichert, um rechtzeitig und
angemessen auf neue Erkenntnisse reagieren zu können.

Beschluss vom 28. Februar 2002 - Az. 1 BvR 1676/01 -

Karlsruhe, den 22. März 2002

www.inidia.de/mobilfunkanlagen.htm

13 März 2002

BVerfG zur Rechtsberatung durch Inkassounternehmen

Rechtsberatung durch Inkassounternehmen

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat zwei
Entscheidungen des OLG Hamburg bzw. des BGH aufgehoben, mit denen den
beschwerdeführenden Inkassounternehmen (Bf) die Durchsetzung von
Forderungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz verweigert
worden war.

1. Der Hintergrund war in sämtlichen Fällen vergleichbar:

Darlehensverträge einer Bank waren in ihrer Ausgestaltung vom BGH für
unwirksam erklärt worden. Aus dieser Rechtsprechung ergaben sich
Forderungen der Bankkunden gegen diese Bank auf Grund des Anspruchs auf
Rückabwicklung der Darlehensverträge. Derartige Forderungen hatten die
Bf gekauft und selbst vor den Gerichten geltend gemacht. Die
Zivilgerichte hatten die Klagen abgewiesen, da mit dem Geschäft
zwischen Bankkunde und Bf jeweils eine unerlaubte Rechtsberatung der
Kunden durch die Bf verbunden gewesen sei. Dies mache die Kaufverträge
über die Forderungen und die Abtretungen wegen Verstoßes gegen ein
gesetzliches Verbot sittenwidrig.

2. Die Kammer hat die Entscheidungen der Zivilgerichte aufgehoben, weil
sie auf einer verfassungswidrigen Auslegung des Rechtsberatungsgesetzes
basieren. Die Rechtsauffassung, es sei Inkassounternehmen, die über
eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügen, untersagt, ihre
Kunden rechtlich zu beraten, verletzt die Bf in ihrem Grundrecht auf
Berufsfreiheit.

Zur Begründung führt die Kammer im Wesentlichen aus, dass der
erforderliche Gemeinwohlbelang für eine solche Einschränkung der
Berufsfreiheit nicht ersichtlich ist. Gründe des Verbraucherschutzes
verlangen ein Verbot der Rechtsberatung durch Inkassobüros nicht. Die
zur Ausübung des Berufs nötige Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz
wird nur erteilt, wenn der entsprechende Bewerber über profunde
Kenntnisse im materiellen und prozessualen Zivilrecht verfügt. Dies
wäre nicht erforderlich, wenn die außergerichtliche Einziehung von
Forderungen, die das Geschäft von Inkassobüros darstellt, eine
lediglich wirtschaftliche Betätigung wäre. Auch wäre es nicht
erforderlich, eine derartige wirtschaftliche Betätigung grundsätzlich
Volljuristen vorzubehalten und sie für andere erlaubnispflichtig nach
dem Rechtsberatungsgesetz zu machen. Bei diesem Verständnis wäre der
Erlaubnisvorbehalt im Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich. Das
Gesetz lässt sich daher nur mit der Unterstellung rechtfertigen, dass
typischerweise bei der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen,
die Inkassobüros nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubt wird, auch
Rechtsberatung zu leisten ist.

Dass dies keine Gefahr für den Verbraucherschutz als Schutzgut des
Rechtsberatungsgesetzes darstellt, zeigen bereits die Ausgangsfälle:
Ohne Rechtsberatung durch die Inkassounternehmen hätten die Bankkunden
gar keine Forderungen gegen die Bank geltend gemacht. Die Alternative
zum Verkauf ihrer Forderung an die Bf war also, gar nichts zu erhalten.

Auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, deren Aufrechterhaltung
ebenfalls Zweck des Rechtsberatungsgesetzes ist, ist durch die
Rechtsberatung von Inkassounternehmen im Zusammenhang mit
Forderungskäufen nicht beeinträchtigt. Ohne eine solche Beratung
könnten Forderungen nicht oder schlechter bewertet und die
Erfolgsaussichten ihrer Geltendmachung schlechter oder nicht
prognostiziert werden. Der Schutz der Rechtspflege gebietet lediglich,
dass Rechtsrat nur von sachkundigen Personen geleistet wird. Verbietet
man Inkassounternehmen die Geltendmachung derart erworbener
Forderungen, wird nicht die Rechtspflege, sondern der jeweilige
Schuldner geschützt. Das ist nicht Zweck des Rechtsberatungsgesetzes.

Beschluss vom 20. Februar 2002
Az.: 1 BvR 423/99 u.a.
Pressemitteilung Nr. 34/2002 vom 13. März 2002

30 Januar 2002

BVerfG: Keine Doppelnamen für Kinder

Ausschluss von Doppelnamen für Kinder verfassungskonform
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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Urteil vom
heutigen Tage entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten
ist, Eltern zu ermöglichen, ihren Kindern einen Doppelnamen zu geben.
Der Erste Senat hatte sich mit dieser Thematik auf Grund einer Vorlage
des Amtsgerichts Hamburg zu beschäftigen; Hintergrund und Vorgeschichte
des Verfahrens sind dargestellt in der Pressemitteilung Nr. 97/2001 vom
15. Oktober 2001, die auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts
veröffentlicht ist.

Wie der Erste Senat feststellt, verstößt es weder gegen das Elternrecht
aus Art. 6 Abs. 2 GG noch gegen das Persönlichkeitsrecht des Kindes
oder der Eltern, dass - sofern ein gemeinsamer Familienname nicht
geführt wird - das Kind nur entweder den Nachnamen der Mutter oder den
des Vaters erhalten kann.

Der Gesetzgeber durfte sich bei der Regelung des Namensrechts für diese
Gestaltung entscheiden.

Das Gericht führt aus, dass der Geburtsname oder Familienname einer
Person verschiedene Funktionen in der Gesellschaft erfüllen kann. Er
kann die individuelle Zuordnung zum Einzelnen ermöglichen, gleichzeitig
Abstammungslinien nachzeichnen und familiäre Zusammenhänge darstellen.
Zur Erfüllung dieser Funktionen bedarf es der gesetzlichen Regelung.
Diese ist vom Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise vorgenommen worden.

Der Geburtsname eines Kindes knüpft an den elterlichen Namen an.
Nach dem geltenden Namensrecht können Eheleute einen gemeinsamen
Ehenamen wählen oder ihre jeweiligen Geburtsnamen behalten, nicht aber
einen Doppelnamen als Ehenamen führen. Diese Regelung berücksichtigt
angemessen die Grundrechte der Namensträger. Einerseits kann die
Verbundenheit der Eheleute durch die Wahl eines gemeinsamen Namens
ausgedrückt werden, andererseits kann der Ehegatte, dessen Name nicht
Ehename geworden ist, dem Ehenamen seinen Geburtsnamen hinzufügen.
Maßgebend für diese Regelung und die daraus folgende Begrenzung des
Familiennamens auf einen Namen waren für den Gesetzgeber die
Konsequenzen (aus einer Zulassung von Doppelnamen) für die nächsten
Generationen. Ließe man Doppelnamen als Familiennamen zu, würden diese
- ohne Begrenzung - in den folgenden Generationen zu langen
Namensketten anwachsen. Damit verlöre der Name für den Einzelnen die
Qualität als identitätsstiftender Bezugspunkt. Gerade wegen dieser
Funktion aber erfährt der Name verfassungsrechtlichen Schutz. Wenn der
Gesetzgeber jedoch das Entstehen langer Namensketten verhindert, indem
er nicht erst für nachfolgende Generationen das Zusammenfügen von Namen
wieder begrenzt, sondern von vornherein nur einen gemeinsamen Ehenamen
gestattet, ist dies eine mit der Verfassung in Einklang stehende
Abwägung.

Gleiches gilt für die Zulassung eines Doppelnamens als Geburtsname
eines Kindes. Auch er führte in Folge zu Namensketten, die wiederum zu
begrenzen wären. Die Betroffenheit würde so lediglich auf die nächste
Generation verlagert. Eltern mit verschiedenen Doppelnamen könnten sich
dann ebenfalls nicht vollständig im Kindesnamen dokumentieren, die
Kinder hingegen könnten bei einer Heirat ihrerseits nicht den
Geburtsdoppelnamen behalten und auch nicht vollständig dem Ehenamen
hinzufügen. Angesichts dessen durfte der Gesetzgeber sich dafür
entscheiden, in Abwägung der verschiedenen Grundrechtspositionen
vorzusehen, dass für Kinder kein Doppelname aus beiden Elternnamen
gebildet wird.

Diese Regelung verletzt auch nicht das Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit der Eltern oder der Kinder. Die eigene Wahl des
Geburtsnamens ist nicht Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des
Kindes. Der Wunsch, seinen Nachkommen den eigenen Namen mit auf den
Lebensweg zu geben, findet im Persönlichkeitsrecht der Eltern keine
Grundlage. Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet ihnen kein Bestimmungsrecht über
einen anderen Menschen.

Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass die geltende Regelung
des Namensrechts nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
gewertet werden kann. Auch wenn es zutreffen mag, dass die überwiegende
Mehrheit von Ehepaaren mit einem gemeinsamen Ehenamen den des Mannes
führt und dass sich auch Eltern ohne Ehenamen zum größten Teil bei der
Wahl des Geburtsnamens am Namen des Mannes orientieren, verstößt die
gesetzliche Regelung nicht gegen die Verfassung. Soweit ersichtlich,
gründet sich eine derartige Wahl vorwiegend nicht auf eine nachteilige
Situation von Frauen, sondern auf vorfindliche Einstellungen in der
Bevölkerung. Namensrechtlich sind die Voraussetzungen für einen Wandel
dieser Vorstellungen gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass die
Möglichkeit, Kindern nicht nur den Namen der Mutter als Geburtsnamen zu
geben, sondern stattdessen auch einen aus dem Namen beider Eltern
zusammengesetzten, einen entsprechenden Einstellungswandel wesentlich
befördern würde.

Urteil vom 30. Januar 2002 - Az. 1 BvL 23/96 -

Karlsruhe, den 30. Januar 2002