27 Dezember 2005

BverfG: Reexe Gegendemonstration

Eilantrag gegen Verhängung von Auflagenfür geplante Demonstration ohne Erfolg

Der Antragsteller meldete für Samstag, den 3. Dezember 2005, zweiVersammlungen an. Die eine sollte in der Zeit von 12:30 Uhr bis 16:00Uhr in Rastatt unter dem Thema „Rastatt stellt sich quer – keineFreiräume für linksextreme Straftäter“ stattfinden, die zweite waranschließend ab 17:30 Uhr in der Innenstadt von Karlsruhe unter demMotto „Daniel Wretström, Sandro Weilkes, Pim Fortyn – kein Vergessen –kein Verzeihen!“ geplant. Die Behörde sprach für beide Versammlungen einVerbot aus. Auf Grund des Antrags des Antragstellers auf einstweiligenRechtsschutz ermöglichte das Verwaltungsgericht die Versammlungen unterbestimmten Auflagen. Hinsichtlich der in Karlsruhe geplanten Versammlungerteilte das Gericht unter anderem die Auflage, die Veranstaltung aufden Bahnhofsvorplatz zu beschränken, auf 14.00 Uhr vorzuverlegen undwährend der Tageslichtzeit durchzuführen. Die hiergegen gerichteteBeschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof zurück. Er begründete seineEntscheidung erst, nachdem die Versammlung stattgefunden hatte.Im Wege eines Eilantrages wandte sich der Antragsteller gegen dieverhängten Auflagen. Die 1. Kammer des Ersten Senats desBundesverfassungsgerichts lehnte den Erlass einer einstweiligenAnordnung auf Grund einer Folgenabwägung ab.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Nicht zu beanstanden ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dassdie öffentliche Sicherheit bei Durchführung einer Versammlung im Zentrumder Innenstadt am späten Nachmittag des Samstag vor dem 2. Adventangesichts absehbarer Zusammenstöße mit Gegendemonstranten erheblichstärker gefährdet ist als bei Durchführung der Versammlung zurTageslichtzeit in einer nicht durch den Weihnachtsmarkt belegtenÖrtlichkeit. Die betroffenen Plätze und Straßen sind zu dem vomAntragsteller beabsichtigten Zeitpunkt erfahrungsgemäß dicht bevölkertund jedenfalls durch die Stände des Weihnachtsmarkts besondersunübersichtlich. Durch die Wahl einer Wegstrecke über denWeihnachtsmarkt will der Antragsteller offensichtlich dieZusammenballung besonders vieler Personen und die zu erwartendenBehinderungen der Besucher als Mittel zur Steigerung der Aufmerksamkeitfür sein Demonstrationsanliegen nutzen, obwohl dieses keinenthematischen Bezug zu Weihnachten hat. Der Aufzug durch denWeihnachtsmarkt führt wegen der notwendigen Schutzvorkehrungenunweigerlich zu Beeinträchtigungen der ebenfalls grundrechtlichgeschützten Entfaltungsmöglichkeiten der Passanten sowie der Inhaber derLäden und Buden. Die Verwaltungsbehörden und Gerichte haben auch derenGrundrechte in ihre Folgenabwägung einzubeziehen. Es ist vomAntragsteller nicht dargetan, dass die im Interesse desRechtsgüterschutzes anderer vorgenommene Begrenzung auf eine ortsfesteVersammlung an dem ebenfalls belebten Bahnhofsvorplatz einen schwerenNachteil für ihn darstellt.Ein schwerer Nachteil entsteht für den Antragsteller auch nicht daraus,dass die Veränderung des Zeitpunkts der Demonstration zu einerzeitlichen Kollision mit der von ihm in Rastatt geplanten Versammlungführt. Dem Antragsteller hätten Möglichkeiten zur Verfügung gestanden,der zeitlichen Kollision etwa durch Anmeldung der Versammlung in Rastattfür einen nunmehr veränderten Zeitpunkt entgegenzuwirken. DieVeranstaltungsmotti beider Versammlungen lassen nicht darauf schließen,dass das Abhalten der Veranstaltungen gerade an diesem Tag sowie inRastatt erst ab 12:30 Uhr zur Erfüllung der Anliegen des Antragstellersunabdingbar ist.Soweit der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung erst begründet hat,nachdem die Versammlung durchgeführt war, merkt die Kammer Folgendes an:Die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit istvon den Gerichten auch bei ihrer Entscheidung über den Zeitpunkt derBegründung zu berücksichtigen. Ist die Beantragung einstweiligenRechtsschutzes beim Bundesverfassungsgericht absehbar, so muss dieBegründung so frühzeitig erfolgen, dass der Antragsteller die Gründe inseinen Antrag einbeziehen und das Bundesverfassungsgericht sie in seinerEntscheidung berücksichtigen kann.