28 März 2008

BVerfG: Anspruchsgrenzen Datenauskunft

Grenzen des Anspruchs auf Auskunft über eine behördliche Datensammlung

In der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen sammelt
das Bundeszentralamt für Steuern - unter anderem auf der Grundlage des
§ 88a Abgabenordnung - steuerlich bedeutsame Angaben über
steuerrechtlich relevante Beziehungen von im Inland ansässigen Firmen
und Personen zum Ausland und umgekehrt. Die Datensammlung dient der
zentralen Erfassung des behördlichen Wissens, um insbesondere den
Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu verhindern, durch
den Steuern rechtswidrig verkürzt werden sollen. Insbesondere sammelt
das Bundeszentralamt Hinweise darauf, ob es sich bei ausländischen
Gesellschaften um sogenannte Domizilgesellschaften handelt, die im
Ausland ihren Sitz haben, ohne dort geschäftliche oder kommerzielle
Tätigkeiten auszuüben. Solche Gesellschaften können dazu genutzt
werden, Steuern rechtswidrig zu verkürzen, indem beispielsweise
Geschäfte mit einer solchen Gesellschaft vorgetäuscht werden, um
Zahlungen an die Gesellschaft als Betriebsausgaben steuerlich absetzen
zu können, die tatsächlich an den Steuerpflichtigen zurückgeleitet
werden. Der Datenbestand des Bundesamtes setzt sich zusammen aus
Meldungen des Steuerpflichtigen selbst, aus Mitteilungen deutscher und
ausländischer Finanzbehörden und aus Informationen, die aus allgemein
zugänglichen Quellen (z.B. Handelsregister, Nachschlagewerke) entnommen
werden. Bei Bedarf werden die Daten an inländische Finanzbehörden
übermittelt.

Der Beschwerdeführer verlangte vom Bundesamt Auskunft über die ihn
betreffenden Daten. Dem Bundesamt lagen dreizehn umfangreiche
Aktenordner vor, in denen der Name des Beschwerdeführers im
Zusammenhang mit mittelbaren und unmittelbaren Beziehungen zu
ausländischen Gesellschaften vorkam. Der Beschwerdeführer stützte
seinen Anspruch auf § 19 Bundesdatenschutzgesetz, wonach dem
Betroffenen grundsätzlich Auskunft über die zu seiner Person
gespeicherten Daten zu erteilen ist. Das Bundesamt lehnte die Auskunft
unter Hinweis darauf ab, dass die gesammelten Informationen durch eine
Auskunftserteilung wertlos würden. Der Betroffene könnte sich etwa aus
Domizilgesellschaften zurückziehen, die bereits erfasst seien oder in
Domizilgesellschaften tätig werden, die dem Amt noch nicht bekannt
seien. Durch die Auskunftserteilung werde die ordnungsgemäße Erfüllung
der Aufgaben des Amtes gefährdet. Die gegen die Ablehnung gerichtete
Klage des Beschwerdeführers blieb vor den Finanzgerichten erfolglos.
Nach Auffassung der Gerichte ist der Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 4
Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz ausgeschlossen. Danach unterbleibt die
Auskunftserteilung, soweit die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung
der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben
gefährden würde.

Auch die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Dies entschied der
Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Das Interesse des Beschwerdeführers, von den ihn betreffenden
informationsbezogenen Maßnahmen des Staates Kenntnis zu erlangen,
wird durch sein Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit in der
Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
geschützt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
gewährt allerdings keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der
Informationserlangung. Bei der Ausgestaltung des Zugangs zu
Informationen hat der Gesetzgeber zu berücksichtigen, welche
Bedeutung ihm für den Grundrechtsschutz des Betroffenen zukommt.
Hierfür sind insbesondere die Art und die Eingriffsintensität der
jeweiligen informationsbezogenen Maßnahme von Bedeutung, über die
oder über deren Ergebnisse der Betroffene informiert werden will.

Gegenüber einer Datensammlung wie der hier umstrittenen ist ein
Informationsrecht des Betroffenen auf eigene Initiative ein
zentraler Baustein einer staatlichen Informationsordnung, die den
grundrechtlichen Vorgaben genügt. Der Gesetzgeber ist folglich
verpflichtet, ein solches Informationsrecht zu schaffen. Für ein
behördliches Ermessen bei der Entscheidung über die
Auskunftserteilung ist in derartigen Fällen verfassungsrechtlich
kein Raum. Soweit gegenläufige Geheimhaltungsinteressen des Staates
oder Dritter der Information entgegenstehen können, ist es Aufgabe
des Gesetzgebers, geeignete Ausschlusstatbestände zu schaffen, die
den einander gegenüberstehenden Interessen Rechnung tragen.

Diesen Anforderungen trägt § 19 Bundesdatenschutzgesetz in
verfassungsmäßiger Weise Rechnung. Die Norm sieht grundsätzlich
einen weit reichenden Anspruch des Betroffenen auf Auskunft vor.
Die in der Norm enthaltene Abwägungsklausel stellt sicher, dass
eine Auskunft nur dann unterbleiben darf, wenn das Interesse an der
ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung dem Informationsinteresse des
Betroffenen vorgeht.

II. Die Annahme der Gerichte, dass im vorliegenden Fall das
Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers hinter dem Interesse des
Bundesamts an einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung zurückstehen
musste, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die datensammelnde Tätigkeit des Bundesamts ist mit dem
Grundgesetz vereinbar. Die Speicherung von Informationen in der
Datensammlung kann zwar in das Grundrecht des Betroffenen auf
informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Für derartige
Eingriffe enthält jedoch § 88a AO eine hinreichende
verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage. Insbesondere ist die
Norm angesichts des von ihr verfolgten Ziels der gleichmäßigen
Festsetzung und Erhebung von Steuern mit dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit vereinbar.

2. Die Gerichte haben bei der Anwendung des in § 19
Bundesdatenschutzgesetz geregelten Ausschlusstatbestands das
grundrechtlich geschützte Auskunftsinteresse des
Beschwerdeführers mit dem gegenläufigen öffentlichen Interesse
an der Aufgabenerfüllung des Bundesamts in verfassungsrechtlich
nicht zu beanstandender Weise abgewogen. In den angegriffenen
Urteilen wird im Einzelnen herausgearbeitet, weswegen die
Aufgabenerfüllung des Bundesamts durch eine Auskunftserteilung
über die gesammelten Daten gefährdet werden kann. Der Zweck der
Aufgabe, Informationen über Domizilgesellschaften zu sammeln,
würde vereitelt. Eine Auskunftserteilung würde dem Betroffenen
offenbaren, über welche seiner unterschiedlichen Funktionen im
Ausland das Bundesamt bereits informiert sei. Der Betroffene
könnte sein Verhalten dementsprechend auf den Kenntnisstand des
Bundesamtes einstellen. Das öffentliche Interesse an der
Aufgabenerfüllung gehe dem Informationsinteresse desjenigen,
über den Daten gesammelt worden sind, vor, da die gesammelten
Daten nach einer Auskunftserteilung weitgehend wertlos würden.
Die Einschätzung der Gerichte, das Informationsinteresse des
Beschwerdeführers wiege gegenüber dem mit der Geheimhaltung
verfolgten Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von
Steuern vergleichsweise geringer, ist verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden.

3. Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer infolge des Ausschlusses
seines Auskunftsanspruchs derzeit die Richtigkeit der
gesammelten Daten und die Rechtmäßigkeit ihrer fortdauernden
Speicherung nicht wirkungsvoll überprüfen lassen kann, ist
Rechnung zu tragen, wenn die Daten in einem konkreten
steuerbehördlichen Verfahren zum Nachteil des Beschwerdeführers
herangezogen werden. Dabei ist sicherzustellen, dass dem
Beschwerdeführer keine Nachteile aus der zeitlichen Verlagerung
des Rechtsschutzes erwachsen.

Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 42/2008 vom 28. März 2008

Zum Beschluss vom 10. März 2008 – 1 BvR 2388/03 –