22 März 2005

BVerfG: Bildmanipulation u. Persönlichkeitsrecht

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers (Bf), der sich gegen die technisch bearbeitete Abbildung seines Kopfes in einer Zeitschrift wandte, war erfolgreich. Die 1. Kammer des Ersten Senats hob das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) auf, da es den Bf in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Sache wurde an denBGH zurückverwiesen.

Sachverhalt: Der Bf war Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG. Im Jahre 2000 berichtete die Beklagte des Ausgangsverfahrens in einer von ihrverlegten Zeitschrift über die wirtschaftliche Situation der DeutschenTelekom. Sie illustrierte den Artikel mit einer Ablichtung eines Mannes in einem Geschäftsanzug, der auf einem bröckelnden, magentafarbenemgroßen „T“ sitzt. Die fotografische Abbildung des Kopfes des Bf ist imZuge einer Fotomontage auf den Oberkörper eines anderen Mannes gesetztworden. Dabei wurde die Abbildung des Kopfes technisch bearbeitet. DieIntensität dieser Bearbeitung ist von den Gerichten nicht abschließend aufgeklärt worden. Unstreitig ist der Kopf allerdings um ca. 5%gestreckt worden. Der Beschwerdeführer ist trotz der Bearbeitung eindeutig identifizierbar. Er sieht in der Veränderung eineunterschwellige und negative Manipulation seiner Gesichtszüge.

Die in den ersten Instanzen zunächst erfolgreiche Unterlassungsklage desBf wurde vom BGH abgewiesen. Die hiergegen gerichteteVerfassungsbeschwerde hatte Erfolg.Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:Die Meinungsfreiheit umfasst die grafische Umsetzung einer kritischen Aussage eines Zeitschriftenartikels auch durch eine satirisch wirkende Fotomontage. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt aber vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den Anscheinerweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein. Ein solcherEingriff in das Persönlichkeitsrecht wird auch dann nicht durch die Meinungsfreiheit gerechtfertigt, wenn das Bild in einen satirischenKontext gerückt wird.

Das für die Fotomontage benutzte Bild des Kopfes des Bf beansprucht, eine fotografische Abbildung zu sein. Zugleich gibt es - anders als typischerweise eine karikaturhafte Zeichnung - dem Betrachter keinen Anhaltspunkt für die Manipulation der Gesichtszüge. Ein solcher Anhalt folgt auch nicht daraus, dass die übrige Darstellung deutlich erkennbar den Charakter des Fiktiven hat. Für die Abbildung des Kopfes gilt diesgerade nicht.

Fotos suggerieren Authentizität und der Betrachter geht davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht. Diese Annahme trifftaber bei einer das Aussehen des Gesichts verändernden Bildmanipulation nicht zu. Das Persönlichkeitsrecht schützt davor, dass einfotografisches Abbild, das Dritten zugänglich gemacht wird, manipulativ entstellt ist. Die Bildaussage wird jedenfalls dann unzutreffend, wenndas Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert wird. SolcheManipulationen berühren das Persönlichkeitsrecht, einerlei ob sie inguter oder verletzender Absicht vorgenommen werden oder ob derBetrachter die Veränderung als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewertet. Die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über das Aussehen des Abgebildetenwird unzutreffend. Eine unrichtige Information ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit aber kein schützenswertes Gut. Dies gilt auch beider Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten, wenn die Manipulation für den Betrachter nicht erkennbar ist und erdaher die Veränderung nicht als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt die Entscheidung desBGH nicht.

Der BGH stellt maßgeblich darauf ab, dass eine satirischeBildaussage ganzheitlich zu erfassen und das Gesicht des Bf als Bildbestandteil nicht gesondert zu berücksichtigen sei. Dieser Grundsatz ist aber nicht anzuwenden, wenn der manipulierte Teil der Abbildung -wie im konkreten Fall - einen eigenständigen Aussagegehalt hat. Dann bedarf es einer eigenständigen Beurteilung unter dem Aspekt des Persönlichkeitsschutzes. Diese wird der BGH noch vorzunehmen haben.

Beschluss vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 –
Karlsruhe, den 22. März 2005