18 September 2007

BJustizM: Reformvorschlag § 89a StGB

Zypries: Balance zwischen Freiheit und Sicherheit bei Terrorismusbekämpfung wahren
Presseerklärung des Bundesjustizministeriums, Berlin, 18. September 2007

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat heute die Eckpunkte neuer strafrechtlicher Regelungen vorgestellt, mit denen die Vorbereitung von terroristischen Gewalttaten und die Anleitung zu solchen Taten unter Strafe gestellt werden sollen.

„Deutschland ist Teil eines weltweiten Gefahrenraums und wir können einen terroristischen Anschlag in unserem Land nicht ausschließen. So bedauerlich diese Erkenntnis ist – sie ist – leider – ganz und gar nicht neu. Sie ist uns nur durch die jüngsten Ereignisse wieder deutlich in Erinnerung gerufen worden. Tatsache ist, dass wir seit dem 11. September 2001, genauso wie viele andere europäische Länder, mit der Bedrohung durch den islamistischen Terrorimus leben müssen. Seit dem 11. September arbeiten die Sicherheitsbehörden in unserem Land - ausgestattet mit erheblich verbesserten rechtlichen Grundlagen durch die Sicherheitspakete I und II - mit großen Anstrengen dafür, dass Anschläge in Deutschland auch künftig vermieden werden.
Unabhängig von den aktuellen Festnahmen prüft das Bundesministerium der Justiz seit einiger Zeit, ob und in welchem Umfang im Strafrecht noch eine Lücke besteht. Ergebnis dieser Prüfung ist ein Vorschlag für zwei neue Straftatbestände, um Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von terroristischen Gewalttaten gezielter strafrechtlich erfassen zu können. Dabei halten wir uns streng an den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in Berlin.

I. § 89a StGB (neu) Vorbereitung einer Gewalttat

Die §§ 129 a und b StGB knüpfen die Strafbarkeit des Bildens oder Unterstützens einer terroristischen Vereinigung an die Gefährlichkeit, die von einer Gruppe ausgeht, die aus mindestens drei Mitgliedern besteht. Die Struktur des Terrorismus hat sich im Vergleich zu den 70er Jahren verändert – anders als bei der RAF handelt es sich bei islamistischen Tätern oftmals um Täter, die ohne feste Einbindung in eine hierarchisch aufgebaute Gruppe agieren, so dass die §§ 129a und b StGB auf sie nicht angewendet werden können, die von ihnen ausgehende Gefahr aber dennoch erheblich und deshalb strafwürdig ist.
Künftig soll es im Staatsschutzstrafrecht einen neuen § 89a StGB geben, der die Vorbereitung einer Gewalttat mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren unter Strafe stellt.

Mit dem Tatbestand erfassen wir

Die Vorbereitung von Straftaten aus dem terroristischen Kernbereich, wie sie in § 129 a Abs. 1 StGB aufgeführt sind (Straftaten gegen das Leben und die persönliche Freiheit, wie Mord, Totschlag, Freiheitsberaubung, Geiselnahme), wenn diese Taten bestimmt und geeignet sind, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beinträchtigen oder die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.
Täter, die solche Taten vorbereiten, aber mangels Bestehen oder Nachweisbarkeit einer terroristischen Vereinigung derzeit nicht nach §§ 129 a oder § 129 b StGB bestraft werden können.
Damit werden auch Einzeltäter erfasst, deren Handlungen noch nicht unter den Tatbestand der Verbrechensverabredung des geltenden § 30 Abs. 2 StGB fallen.

Strafrecht ist immer das letzte Mittel des Staates (ultima-ratio-Charakter). Deshalb können Vorbereitungshandlungen grundsätzlich nur ausnahmsweise strafbar sein. Um eine uferlose Ausweitung der Vorfeldstrafbarkeit zu vermeiden, muss aus Verfassungsgründen exakt umschrieben werden, welche Vorbereitungshandlungen im Einzelnen strafbar sind.

Der neue § 89a StGB definiert deshalb abschließend folgende strafbare Vorbereitungshandlungen:

1. die Ausbildung und das Sich-Ausbilden-Lassen, um eine terroristische Gewalttat zu begehen
Beispiele:

a) A erhält den Auftrag, in Deutschland einen Sprengstoffanschlag auf eine Bundeswehrkaserne und einen US-Luftwaffenstützpunkt zu verüben. Um die notwendigen Fertigkeiten zu erwerben, lässt A sich in einem islamistischen Ausbildungslager in Pakistan theoretisch und praktisch im Umgang mit Schusswaffen bzw. in der Herstellung und der Zündung von unkonventionellem Sprengstoff schulen.

b) X, Mitglied einer rechtsextremistischen „Wehrsportgruppe“, erhält von seinem Anführer die Auftrag, sich für einen Sprengmeisterkurs im Steinbruch anzumelden, um die nötigen Kenntnisse zu erwerben, einen Sprengstoffanschlag auf eine Synagoge zu verüben.

c) M lässt sich in einer Flugschule beibringen, wie man ein Passagierflugzeug führt. Damit will er sich die Fertigkeit erwerben, seinen Plan ins Werk zu setzen, ein gekapertes Passagierflugzeug in einen Büroturm zu steuern.

Strafbar macht sich nach dieser Tatalternative nur derjenige, der sich unterweisen lässt oder einen anderen unterweist, um eine terroristische Gewalttat zu begehen. Ein bloßes Erwerben von Fertigkeiten ohne die Absicht, damit eine terroristische Gewalttat zu verüben, bleibt straflos.

2. die Herstellung, das Sich-Verschaffen, Überlassen oder Verwahren von Waffen, bestimmten Stoffen (z. B. Viren, Gifte, radioaktive Stoffe, (Flüssig-)Sprengstoffe) oder besonderen zur Ausführung der vorbereiteten Tat erforderlichen Vorrichtungen (z. B. Zündern) sowie

3. das Sich-Verschaffen oder Verwahren von erforderlichen wesentlichen Gegenständen oder „Grundstoffen“, um diese Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen herzustellen

Beispiel:
a. Die kürzlich im Sauerland festgenommenen Tatverdächtigen haben nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen unter anderem Anschläge auf US-amerikanische Einrichtungen geplant und sich zu diesem Zweck erhebliche Mengen Wasserstoffperoxid verschafft, um damit Bombenanschläge zu begehen.
b. Auch im Falle der versuchten Bombenanschläge auf Regionalzüge in Dortmund und Koblenz haben sich die Täter nach den Erkenntnissen der Ermittler die für die Kofferbomben erforderlichen Gegenstände zur Vorbereitung der geplanten Taten beschafft und in ihren Wohnungen bereits grundsätzlich funktionstüchtige Sprengsätze gebaut.

4. die Finanzierung eines terroristischen Anschlags

Die neue Vorschrift erfasst das Zur-Verfügung-Stellen von Geldmitteln in nicht unerheblicher Menge, um beispielsweise die zur Tat erforderlichen Sprengstoffe zu kaufen, Wohnungen anzumieten oder Flugtickets zu buchen. Erfasst wird auch das Sammeln vermeintlicher „Spenden“ zur Vorbereitung eines Anschlags.

II. Anleitung zu einer Gewalttat / § 91 StGB (neu)

Die Vorschriften über das Anleiten zu staatsschutzrelevanten Gewalttaten ergänzen die bestehenden allgemeinen Strafvorschriften. Mit dem neuen § 91 StGB wird vor allem das Verbreiten oder das Anpreisen von terroristischen „Anleitungen“ - beispielsweise im Internet – erfasst und mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.

Das Internet als weltweiter Kommunikationsraum hat als Propagandamedium für Terroristen in erheblichem Umfang an Bedeutung gewonnen. Auf vielen dieser Seiten sind Anleitungen für die Herstellung von Sprengstoffen, den Bau von Sprengvorrichtungen oder die Ausbildung in terroristischen Trainingslagern auch ohne konkreten Tatbezug eingestellt. Solche Anleitungen stellen eine erhebliche Gefahr für den öffentlichen Frieden dar, da sie ohne weitere Zwischenschritte zur Vorbereitung von Gewalttaten verwendet werden können und nach den Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden auch verwendet werden.

Trotz der von ihnen ausgehenden Gefahr werden solche Anleitungen von den bereits geltenden Strafvorschriften, die das Anleiten zu Straftaten ahnden (§§ 111, 130a StGB , sowie im Sprengstoff- und Waffenrecht), nicht hinreichend erfasst.

Diese Probleme der Praxis soll der neue § 91 StGB lösen. Entscheidende Neuerung ist, dass eine solche Anleitung vom Täter nicht mehr dazu „bestimmt“ sein muss, einen bestimmten Schaden eintreten zu lassen. Dieses Tatbestandsmerkmal hat den Strafverfolgern in der Vergangenheit die Arbeit wesentlich erschwert, da es wegen seines subjektiven Gehalts schwierig nachzuweisen ist. Statt dessen soll es künftig ausreichen, dass die jeweilige Anleitung nach den Umständen ihrer Verbreitung (z. B. im Rahmen einer islamistischen oder auch rechtsextremistischen Webseite) objektiv geeignet ist, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine Gewalttat mit einer staatsschutzrelevanten Zielsetzung zu begehen.

Ebenfalls bestraft werden soll, wer sich eine solche Anleitung (zum Beispiel durch Herunterladen aus dem Internet) zur Begehung einer solchen Gewalttat verschafft.

Beispiele:

a) Zur Vorbereitung der versuchten Anschläge auf Regionalzüge in Koblenz und Dortmund haben sich die Täter nach dem Ergebnis der Ermittlungen aus dem Internet Bombenbauanleitungen heruntergeladen und diese zur Herstellung ihrer grundsätzlich funktionstüchtigen Sprengsätze verwendet.

b) Eine bereits fest zur Begehung eines Selbstmordanschlags entschlossene allein agierende, islamistisch motivierte Person experimentiert nach der Auskundschaftung von geeigneten Tatobjekten in abgelegenen Wäldern mit Sprengstoffen. Die erforderlichen Bombenbauanleitungen hat sich der Betreffende zur Vorbereitung des Anschlags aus dem Internet heruntergeladen.

Ausgenommen von der Strafbarkeit sind solche Handlungen, die zwar den objektiven Tatbestand der Strafnorm erfüllen, die aber ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten oder der Forschung, Wissenschaft oder Lehre dienen.

Straflos sind etwa Recherchen der Polizei im Internet, bei der einschlägige Webseiten identifiziert und zu diesem Zweck auch aufgerufen werden müssen. Weiterhin bereits nicht vom Tatbestand erfasst sind beispielsweise auch Anleitungen in Chemiebaukästen oder Lehrbüchern.

III. Begleitregelungen

a. Verfahrensrecht

Ergänzt werden die beiden neuen Tatbestände im Strafgesetzbuch durch Begleitregelungen. So sollen die Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Instrumentarien auch in diesem Bereich der Terrorismusbekämpfung erhalten. Deshalb gelten künftig jene strafprozessualen Vorschriften (z. B. die Durchsuchung, Beschlagnahme, Wohnraumüberwachung, Telefonüberwachung), die nach geltendem Recht bereits im Zusammenhang mit terroristisch motivierten Taten Anwendung finden, auch bei Ermittlungen wegen § 89a StGB.

Zudem wird durch die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes für den Generalbundesanwalt die Möglichkeit eröffnet, bei einer besonderen Bedeutung des Falles bei Straftaten nach § 89a StGB die Strafverfolgung zu übernehmen.

b. AufenthaltsrechtSchließlich soll ein Ausländer, bei dem Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er die oben beschriebenen Tatbestände erfüllt, ausgewiesen oder an der Wiedereinreise nach Deutschland gehindert werden können. Die dafür notwendige aufenthaltsrechtliche Regelung wird das Bundesministerium des Innern im Rahmen der Ressortabstimmung des Gesetzentwurfs ergänzen.

IV. Weiteres Verfahren

Nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung wird der Referentenentwurf an Länder und Verbände zur Stellungnahme übersandt, mit dem Ziel, schnellstmöglich einen Regierungsentwurf durch das Bundeskabinett beschließen zu lassen.

12 September 2007

BGH zu Schönheitsreparaturen

Nr. 125/2007

Neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Vornahme von Schönheitsreparaturen:

Unwirksamkeit von isolierten Endrenovierungsklauseln

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass eine formularvertragliche Endrenovierungspflicht des Mieters auch ohne Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen (isolierte Endrenovierungsklausel) in Wohnraummietverträgen unwirksam ist, weil sie den Mieter unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Kläger sind Mieter, der Beklagte ist Vermieter einer Wohnung in Bremen. Der Mietvertrag vom 2. Mai 2005 enthält zu Schönheitsreparaturen nur folgende Regelung:
"Bei Auszug ist die Wohnung fachgerecht renoviert gem. Anlage zurückzugeben."

In der Anlage zum Mietvertrag heißt es unter Nr. 10:
"Zustand der Mieträume: Die Wohnung wird in einem einwandfrei renovierten Zustand übergeben. Bei Auszug ist die Wohnung fachgerecht renoviert zurückzugeben. Die Wände sind mit Rauhfaser tapeziert und weiß gestrichen. Die Türzargen, Fensterrahmen und Heizkörper sind weiß lackiert. Teppichboden ist fachmännisch zu reinigen."

Die Kläger haben unter anderem die Feststellung begehrt, dass Nr. 10 der Anlage zum Mietvertrag unwirksam sei mit der Folge, dass sie zur Vornahme von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet seien. Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass Nr. 10 der Anlage zum Mietvertrag unwirksam ist mit der Folge, dass die Kläger zur Vornahme von Schönheitsreparaturen in dieser Wohnung nicht verpflichtet sind.
Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, folgt weder aus dem Mietvertrag noch aus Nr. 10 der Anlage dazu, dass der Vertrag dem Mieter Schönheitsreparaturen nur insoweit auferlegt, als nach dem Abnutzungszustand hierfür ein Bedürfnis besteht. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Mieters liegt ein Verständnis dahin näher, dass die Wohnung bei Auszug in jedem Fall frisch renoviert sein muss oder jedenfalls seit der letzten Renovierung keine Abnutzungsspuren aufweisen darf.

Als uneingeschränkte Endrenovierungsverpflichtung ist die Formularbestimmung unwirksam, weil sie den Mieter unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, dass eine Regelung in einem vom Vermieter verwandten Formularmietvertrag über Wohnraum unwirksam ist, wenn sie den Mieter verpflichtet, die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses unabhängig vom Zeitpunkt der Vornahme der letzten Schönheitsreparaturen renoviert zu übergeben. Danach benachteiligt eine Endrenovierungspflicht des Mieters, die unabhängig ist vom Zeitpunkt der letzten Renovierung sowie vom Zustand der Wohnung bei seinem Auszug, den Mieter auch dann unangemessen, wenn ihn während der Dauer des Mietverhältnisses keine Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen trifft. Denn sie verpflichtet den Mieter, die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses auch dann zu renovieren, wenn er dort nur kurze Zeit gewohnt hat oder erst kurz zuvor (freiwillig) Schönheitsreparaturen vorgenommen hat, so dass bei einer Fortdauer des Mietverhältnisses für eine (erneute) Renovierung kein Bedarf bestünde.
Urteil vom 12. September 2007 - VIII ZR 316/06
AG Bremen - Urteil vom 21. Februar 2006 - 25 C 371/05 ./.
LG Bremen - Urteil vom 3. November 2006 - 4 S 112/06
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