22 Februar 2008

BVerwG: E-Schuh kein Elektronikschrott

"Sportschuh mit elektronischer Fersendämpfung ist kein Elektrogerät"

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass das Elektro- und Elektronikgerätegesetz mit den darin geregelten Herstellerpflichten nicht für einen Sportschuh mit elektronischer Fersendämpfung gilt.

Die Klägerin stellt einen solchen Laufschuh her. Dessen Dämpfung passt sich beim Laufen automatisch dem Gewicht des Läufers und dem jeweiligen Untergrund an. Dabei wird der modifizierte Härtegrad der Dämpfung mit Hilfe eines Sensors, eines Magneten und eines motorbetriebenen Kabelsystems durch einen kleinen Computer geregelt. Die Beklagte hält die elektronische Dämpfung des Schuhs für dessen Hauptzweck und ist deshalb der Ansicht, dass der Sportschuh als Elektrogerät im Sinne des Elektro- und Elektronikgesetzes anzusehen sei und den darin geregelten Bestimmungen über die Registrierung, Rücknahme und Entsorgung unterliege. Die Klägerin begehrt demgegenüber die Feststellung, dass die Verpflichtungen des Elektro- und Elektronikgesetzes für den von ihr hergestellten und vertriebenen Sportschuh nicht gelten. Sie geht davon aus, dass es sich bei dem Schuh in erster Linie um einen Laufschuh handelt, der auch bei einem Ausfall des elektronischen Steuerungssystems genutzt werden kann.

Das Verwaltungsgericht hat dem Feststellungsbegehren der Klägerin stattgegeben, die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Beide Instanzen gingen davon aus, dass ein Laufschuh mit einem elektronischen Bauteil kein Elektrogerät im Sinne des Gesetzes darstelle.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Auffassung bestätigt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Es hat zur Begründung auf § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG verwiesen, wonach dieses Gesetz nur für Elektrogeräte gilt, die unter bestimmte, im Gesetz aufgeführte Gerätekategorien fallen. Sportschuhe gehören keiner dieser abschließend aufgeführten Kategorien an. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass sie keine "Sportgeräte" sind, sondern der im Gesetz ausdrücklich nicht erwähnten Kategorie "Bekleidung" zuzuordnen sind.

BVerwG 7 C 43.07 - Urteil vom 21. Februar 2008

KOMMENTAR

Dann hätte der Gesetzgeber ein unzulängliches Gesetz gebastelt, aber mir ist die BVerwG-Entscheidung nicht einleuchtend, denn solch Eltronik-Schuh ist eben nicht bloß "Bekleidung", sondern auch "Sportgerät".

-msr- >> Diskussion

13 Februar 2008

BGH: Duldung von Modernisierungen

Pflicht der Wohnungsmieter zur Duldung von
Modernisierungsmaßnahmen des Grundstückskäufers


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Käufer eines Grundstücks bereits vor seiner Eintragung im Grundbuch berechtigt ist, Mietwohnungen zu modernisieren, sofern der Vermieter ihn hierzu ermächtigt hat und die gesetzlich geregelten Voraussetzungen der Verpflichtung des Mieters, Modernisierungsarbeiten zu dulden (§ 554 Abs. 2 und 3 BGB), gegeben sind.
In dem der heutigen Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Vermieter sein Grundstück verkauft und die Käufer schriftlich ermächtigt, bereits vor ihrer Eintragung im Grundbuch sämtliche die Mietverhältnisse betreffenden Erklärungen im eigenen Namen abzugeben, insbesondere Modernisierungsmaßnahmen vorzunehmen, sowie entsprechende Rechtsstreitigkeiten zu führen. Die Käufer kündigten den beklagten Mietern daraufhin Modernisierungsarbeiten in deren Wohnung an; dem traten die Beklagten entgegen.
Das Amtsgericht hat die auf Duldung der beabsichtigten Modernisierungsarbeiten gerichtete Klage der Grundstückskäufer abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht die beklagten Mieter unter anderem verurteilt, den Umbau des Badezimmers unter Einbeziehung eines bis dahin als Abstellraum und Speisekammer genutzten Raums zur Schaffung einer separaten Toilette zu dulden. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klage zulässig ist, weil die Kläger als Grundstückskäufer ein berechtigtes Interesse daran haben, das dem Vermieter zustehende Recht zur Modernisierung der Mietsache mit dessen Zustimmung im eigenen Namen auszuüben.
Die Klage erwies sich auch als begründet. Das Bürgerliche Gesetzbuch legt den Vermieter nicht darauf fest, das Recht zur Modernisierung der von ihm vermieteten Wohnungen stets selbst wahrzunehmen; vielmehr kann er auch einen Dritten dazu ermächtigen, dieses Recht im eigenen Namen auszuüben.
Die beklagten Mieter sind auch zur Duldung der von den Klägern geplanten Umbaumaßnahmen verpflichtet. Die dafür entscheidende Frage, ob die Vergrößerung und Umgestaltung eines räumlichen Bereichs (hier des Sanitärbereichs) auf Kosten des Wegfalls eines anderen Raums (hier der Abstell- und Speisekammer) zu einer Verbesserung der Mietwohnung führt, kann nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Diese Beurteilung obliegt dem Tatrichter und ist revisionsrechtlich nur beschränkt nachprüfbar.
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Wertung, dass die Schaffung einer separaten Toilette in der ca. 136 qm großen Vier-Zimmer-Wohnung auch unter Berücksichtigung des Wegfalls der Abstell- und Speisekammer als Wohnwertverbesserung einzustufen ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen und ist im Übrigen lebensnah.

Urteil vom 13. Februar 2008 - VIII ZR 105/07
AG Berlin-Schöneberg, Urteil vom 4.9.2006 - 7 C 180/06
LG Berlin, Urteil vom 27.03.2007 - 63 S 313/06
Karlsruhe, den 13. Februar 2008
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

11 Februar 2008

LG-Berlin vs. "Wetttrinken"

Landgericht Urteile im Prozess wegen tödlichen Wetttrinkens (PM 5/2008)
Pressemitteilung Nr. 5/2008 vom 11.02.2008

Die Präsidentin des Kammergerichts - Pressestelle der Berliner Strafgerichte -

Die 24. große Strafkammer des Landgerichts Berlin hat am heutigen zweiten Verhandlungstag eines Verfahrens gegen vier Beteiligte eines sog. Wetttrinkens einen der Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und zwei weitere Angeklagte wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu jugendrechtlichen Maßnahmen, nämlich sozialen Trainingskursen, verurteilt. Das Verfahren gegen die einzige weibliche Angeklagte war vorab zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt worden; gegen sie wird noch im Februar weiterverhandelt werden.

Die Jugendkammer sah es aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme für erwiesen an, dass die beiden verurteilten heute 18 und 21 Jahre Angeklagten im Rahmen eines zwischen dem Wirt einer Spandauer Gaststätte und einem 16 -jährigen Geschädigten vereinbarten und am 25. Februar 2007 durchgeführten Wetttrinken Getränke eingeschenkt bzw. serviert hatten. Ein Wetttrinken allerdings unter ungleichen Bedingungen: Während der Wirt sich überwiegend habe Wasser servieren lassen, habe der Geschädigte letztlich mindestens 44 Tequila getrunken und am Ende eine Blutalkoholkonzentration von etwa fünf Promille aufgewiesen. Der Jugendliche war am 29. März 2007 an den Folgen des übermäßigen Alkoholgenusses gestorben.

Im Gegensatz zu dem freigesprochenen Angeklagten hätten beide verurteilten Angeklag-n um die besonderen Umstände dieses Wetttrinkens gewusst, so der Vorsitzende. Um dem Gastwirt den Sieg über den alkoholgewohnten Geschädigten zu ermöglichen, hätte einer der Angeklagten- auf Weisung des Gastwirts- diesem Wasser, dem Geschädigten aber Hochprozentiges serviert. Der weitere Angeklagte habe zwar zunächst nicht um die Tatsache gewusst, dass dem Wirt Wasser statt Alkohol ausgeschenkt werde. Er habe sogar, als dies klar geworden war, eine Flasche Tequila auf den Tisch gestellt, so dass beide Kontrahenten hätten Alkohol trinken müssen. Dieser Angeklagte habe aber eine Strichliste über den jeweiligen „Spielstand“ geführt und so den Überblick über das Ausmaß des durch den Geschädigten verzehrten Alkohols gehabt.
Beide Angeklagten hätten allerdings nicht vorausgesehen, dass der Geschädigte an dem Alkohol versterben würde, sondern hätten allenfalls damit gerechnet, dass der Junge sich übergeben müsse. Um schwerwiegenden Folgen entgegenzuwirken, hätten die Angeklagten Vorkehrungen dergestalt getroffen, dass sie den Betrunkenen in die stabile Seitenlage gebracht und einen Eimer aufgestellt hätten. Erst als dieser blau angelaufen sei, habe einer der Angeklagten die Feuerwehr alarmiert.

Bei der Strafzumessung hatte die Kammer zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass diese durch Geständnisse zur Aufklärung entscheidend beigetragen und dabei sich und andere nicht geschont hätten, Einsicht gewonnen und tief erschüttert über den Tod des Geschädigten waren. Darüber hinaus seien sie gut integriert und strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
Der Vorsitzende hob in seiner mündlichen Urteilsbegründung hervor, dass das Verhalten der Angeklagten nicht aufgrund einer möglicher Einwilligung des Geschädigten straflos sei: eine solche sei bei einem Jugendlichen sittenwidrig. Der Geschädigte sei nicht in der Lage gewesen, zu überblicken, dass er sich in Lebensgefahr begebe. Er „hoffe sehr“, so der Vorsitzende, dass ein gesellschaftlicher Konsens dahin bestehe, dass ein derart ausgestaltetes „Wettsaufen“ zwischen einem Erwachsenen und einem Jugendlichen gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoße.
Darüber hinaus habe der Geschädigte keine bewusste Selbstgefährdung eingehen kön-nen, weil er nicht gewusst habe, dass es keine fairen „Spielregeln“ gegeben habe.


Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es kann mit dem Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof angegriffen werden.