28 Januar 2000

BGH: Verurteilung eines BND-Mitarbeiters

Nr. 4/2000 Verurteilung wegen Betruges zum Nachteil des Bundesnachrichtendienstes rechtskräftig

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat den Angeklagten, einen Regierungsdirektor beim Bundesnachrichtendienst, durch Urteil vom 3. Februar 1999 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tatmehrheit mit 74 vollendeten und vier versuchten Fällen des Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte in der Zeit von September 1992 bis Juli 1996 im Zusammenwirken mit einem Mitangeklagten angeblich echte Agentenmeldungen an den Bundesnachrichtendienst (BND), in Wahrheit hatte er sie aber unter Verarbeitung ihm zuvor im BND bekannt gewordener Vorgänge selbst verfaßt. Der BND zahlte für die Informationen hohe Geldbeträge. Weiter hatte der Angeklagte zum Zwecke der Geldbeschaffung im Juni 1997 aus ihm zugänglichen Informationen des Bundesnachrichtendienstes "Quellenmeldungen" zusammengestellt, die einem Mitarbeiter des polnischen Nachrichtendienstes mit der Erklärung übergeben wurden, die Informationen stammten von einem russischen KGB-Oberst. Der polnische Geheimdienst zeigte in der Folgezeit jedoch kein Interesse an den Meldungen und ließ sie dem BND zukommen.

Mit seiner Revision hat der - die Tat bestreitende - Angeklagte insbesondere gerügt, daß das Bayerische Oberste Landesgericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt habe. Der 3. Strafsenat hat diese Bedenken nicht geteilt und deshalb die Revision des Angeklagten gemäß dem Antrag des Generalbundesanwalts durch Beschluß als unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Beschluß vom 17. Dezember 1999 - 3 StR 254/99
Karlsruhe, den 28. Januar 2000
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

14 Januar 2000

BGH zur Strafverfolgung eines rechtsextrem. Mordversuchs

Nr. 1/2000 Zuständigkeit des Generalbundesanwalts zur Verfolgung rechtsextremistischer Gewalttäter bestätigt

Der Generalbundesanwalt führt gegen mehrere Jugendliche und einen Heranwachsenden ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Den Beschuldigten liegt zur Last, gemeinschaftlich versucht zu haben, aus dem niederen Beweggrund "Ausländerhaß" zwei Vietnamesen zu töten, und diese vorsätzlich schwer verletzt zu haben. Die Täter - Mitglieder der örtlichen rechtsextremistischen Jugendszene - sollen die Vietnamesen verfolgt, sie zu Fall gebracht und wuchtig mit den Fäusten sowie mit - teilweise schweren, festen - Schuhen auf Kopf, Bauch und Rücken der Geschädigten eingetreten haben. Dabei sollen sie Parolen wie "Ausländer verrecke" und "Ausländersau" geschrieen haben.

Nach einer von einem der Beschuldigte beantragten mündlichen Haftprüfung hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordnet, daß der ergangene Haftbefehl des Landgerichts Neubrandenburg aufrechterhalten bleibt und weiterhin zu vollziehen ist. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde wurde vom 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verworfen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluß die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts zur Strafverfolgung bejaht. Da die Tat "nach den Umständen bestimmt" und geeignet ist, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, und der Generalbundesanwalt die ausnahmsweise gegebene besondere Bedeutung des Falles im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr durch Gleichgesinnte und die im In- und Ausland hervorgerufene besondere Beachtung in vertretbarer Weise bejaht hat, handelt es sich um eine Straftat aus dem Bereich des Staatsschutzes, für den nicht die Strafgerichtsbarkeit der Bundesländer, sondern die des Bundes gegeben ist. Durch die aus rechtsextremistischer Gesinnung seit 1990 immer wieder gegen ausländische Mitbürger begangen Straftaten mit schwerwiegenden Folgen für die Opfer, die lediglich als Repräsentanten der von den Tätern gehaßten Gruppe der Ausländer angegriffen werden, wird zum einen das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern empfindlich gestört; zum anderen wird auch in der Öffentlichkeit, insbesondere unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern, ein allgemeines Klima der Angst und Einschüchterung hervorgerufen, in dem die innere Sicherheit beeinträchtigende Zweifel aufkommen, ob die Sicherheitsorgane in ausreichendem Maße fähig und entschlossen sind, die ausländischen Mitbürger zu schützen. Außerdem lösen sie bei Personen mit einer rechtsextremen Gesinnung einen Nachahmungseffekt aus mit der Folge einer immer schwerer beherrschbaren Gefahr. Es sind ausreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß von den Tätern diese sich ihnen aufdrängenden Auswirkungen ihrer Straftat gewollt waren .

In seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof bestätigt, daß der Beschwerdeführer nach dem derzeitigen Ermittlungsstand der mittäterschaftlichen Beteiligung an der ihm vorgeworfenen Straftat dringend verdächtig ist, die Haftgründe der Verdunkelungs- und Fluchtgefahr bestehen und angesichts der Schwere des Tatvorwurfs der weitere Vollzug des Haftbefehls nicht unverhältnismäßig ist.

Beschluß vom 12. Januar 2000 – StB 15/99
Karlsruhe, den 14. Januar 2000

10 Januar 2000

BGH zum privaten Festnahmerecht

Nr. 9/2000 Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Festnahmerecht eines Kaufhausdetektivs

Der als Ladendetektiv in einem Kaufhaus eingesetzte Angeklagte hatte einen Ladendieb, der sich seiner Festnahme gewaltsam widersetzt und versucht hatte, mit seiner Beute von fünf Compactdiscs zu fliehen, verfolgt, zu Boden geworfen und dort "fixiert". Im Verlauf der weiteren Auseinandersetzung würgte er den ertappten Dieb, dessen Hals in seiner linken Armbeuge lag, ununterbrochen über einen Zeitraum von mindestens drei Minuten; hierdurch trat der Tod des Diebes ein.

Das Landgericht Arnsberg hat darin eine (vorsätzliche) Körperverletzung mit Todesfolge gesehen. Auf die Revision des Angeklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht Hagen zurückverwiesen, weil die bisher getroffenen Feststellungen für eine solche Verurteilung nicht ausreichend waren.

Der Bundesgerichtshof hat dargelegt, daß der Angeklagte berechtigt war, den 13 kg schwereren und 13 cm größeren flüchtenden Dieb von hinten anzuspringen, dadurch zu Boden zu werfen und dort festzuhalten. Dies ergibt sich aus dem jedermann zustehenden Festnahmerecht gegenüber einem auf frischer Tat betroffenen Täter, der der Flucht verdächtig ist oder dessen Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Eine (vorsätzliche) Körperverletzung mit Todesfolge könnte dem Angeklagten allerdings angelastet werden, wenn er den Dieb darüber hinaus gewürgt hätte, ohne durch dessen weitere Gegenwehr hierzu veranlaßt worden zu sein. Anders wäre es jedoch, wenn sich der Dieb gegen seine Festnahme sofort weiter tätlich zur Wehr gesetzt hätte; dann wäre der Würgegriff des Angeklagten zunächst durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Eine Bestrafung hätte dann (nur) wegen fahrlässiger Tötung erfolgen dürfen, weil der Angeklagte nämlich die alsbald eintretende Bewußtlosigkeit des Diebes, die eine unverzügliche Lockerung des Würgegriffs erforderte, vorwerfbar nicht erkannte.

Das Landgericht Hagen wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen über die Reihenfolge von Angriff und Abwehr zu dem Zeitpunkt, als die beiden
Kontrahenten zu Boden gegangen waren, zu treffen und dementsprechend
über die Strafbarkeit des Angeklagten zu befinden haben.

Urteil vom 10. Februar 2000 - 4 StR 558/99
Karlsruhe, den 10. Februar 2000