20 März 2007

BVerfG zur Videoüberwachung öffentl. Plätze

Städtische Videoüberwachung eines Kunstwerks in Regensburg entbehrt gesetzlicher Grundlage

Die Stadt Regensburg ließ 2005 über den Resten der ehemaligen
mittelalterlichen Synagoge auf dem Neupfarrplatz ein Bodenrelief
herstellen, das den Grundriss der ehemaligen Synagoge andeutet. Das
Kunstwerk ist als Begegnungsstätte für die Bevölkerung konzipiert. In
der Vergangenheit kam es im Bereich des Kunstwerks zu mehreren
Vorfällen, aufgrund derer die Stadt Regensburg eine Videoüberwachung des
Ortes mit vier Überwachungskameras für erforderlich hielt. Die Stadt
beabsichtigt, die Überwachung in eigener Zuständigkeit auf der Grundlage
des Bayerischen Datenschutzgesetzes durchzuführen. Gegen die geplante
Videoüberwachung der Begegnungsstätte erhob der Beschwerdeführer Klage.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Hiergegen gerichtete
Rechtsmittel blieben vor dem BayerischenVerwaltungsgerichtshof ohne
Erfolg.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, da es für die geplante
Videoüberwachung mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials an einer
hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung fehle.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die geplante Videoüberwachung des Bodenkunstwerks mit Aufzeichnung des
gewonnenen Bildmaterials stellt einen Eingriff von erheblichem Gewicht
in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht
der informationellen Selbstbestimmung dar. Das durch die
Videoüberwachung gewonnene Bildmaterial kann und soll dazu genutzt
werden, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten,
die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte
Verhaltensweisen zeigen. Die offene Videoüberwachung eines öffentlichen
Ortes kann und soll zugleich abschreckend wirken und insofern das
Verhalten der Betroffenen lenken. Das Gewicht dieser Maßnahme wird
dadurch erhöht, dass infolge der Aufzeichnung das gewonnene Bildmaterial
in vielfältiger Weise ausgewertet, bearbeitet und mit anderen
Informationen verknüpft werden kann. Von den Personen, die die
Begegnungsstätte betreten, dürfte nur eine Minderheit gegen die
Benutzungssatzung oder andere rechtliche Vorgaben, die sich aus der
allgemeinen Rechtsordnung für die Benutzung der Begegnungsstätte
ergeben, verstoßen. Die Videoüberwachung und die Aufzeichnung des
gewonnenen Bildmaterials erfassen daher überwiegend Personen, die selbst
keinen Anlass schaffen, dessentwegen die Überwachung vorgenommen wird.

Angesichts des erheblichen Gewichts der Grundrechtsbeeinträchtigung kann
die geplante Videoüberwachung nicht auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs.
1 Bayerisches Datenschutzgesetz gestützt werden. Diese Normen enthalten
keine hinreichenden Vorgaben für Anlass und Grenzen der erfassten
datenbezogenen Maßnahmen, um als Ermächtigungsgrundlage für den
beabsichtigten Grundrechtseingriff in Betracht zu kommen. Sie begrenzen
die Datenerhebung lediglich durch das Gebot der Erforderlichkeit. Dies
allein kann die behördliche Praxis aber nicht hinreichend anleiten oder
Kontrollmaßstäbe bereitstellen.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine Videoüberwachung
öffentlicher Einrichtungen mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials
auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten und normenklaren
Ermächtigungsgrundlage materiell verfassungsgemäß sein kann, wenn für
sie ein hinreichender Anlass besteht und Überwachung sowie Aufzeichnung
insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf
die Möglichkeit der Auswertung der Daten das Übermaßverbot wahren.

Pressemitteilung Nr. 31/2007 vom 20. März 2007

Zum Beschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 –

16 März 2007

BVerfG zur TV-Gerichtsberichtserstattung

Eilantrag des ZDF gegen Film-Verbot weitgehend erfolgreich

Am 19. März 2007 beginnt vor dem Landgericht Münster die auf mehrere
Tage angesetzte Verhandlung gegen 18 Bundeswehrausbilder, die ihre
Untergebenen in einer Kaserne im westfälischen Coesfeld misshandelt
haben sollen. Im Vorfeld der Verhandlung ordnete das Gericht den
Ausschluss von Foto- und Fernsehteams aus dem Sitzungssaal für einen
Zeitraum von 15 Minuten vor Prozessbeginn und 10 Minuten nach
Prozessende an. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde des
ZDF, das eine Fernsehberichterstattung über das Strafverfahren
beabsichtigt. Zugleich hat das ZDF den Antrag gestellt, im Wege des
vorläufigen Rechtsschutzes seinem dreiköpfigen Fernsehteam die
Anfertigung von Filmaufnahmen bis zum Einzug des Gerichts in den
Sitzungssaal zu ermöglichen.

Der Eilantrag des ZDF war weitgehend erfolgreich. Die 1. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Vorsitzenden der 8.
Strafkammer des Landgerichts Münster angewiesen, dem Fernsehteam des ZDF
zu ermöglichen, vor Beginn und am Ende der Verhandlungen Filmaufnahmen
der im Sitzungssaal anwesenden Verfahrensbeteiligten einschließlich der
Angeklagten zu fertigen, und hierbei die Anwesenheit der Richter und
Schöffen der Strafkammer im Sitzungssaal zu gewährleisten. Die
Fernsehbilder dürfen jedoch nur nach Anonymisierung der Gesichter der
Angeklagten weitergegeben und veröffentlicht werden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Bei der gebotenen Abwägung kommt den Belangen der Antragstellerin
Vorrang zu. Die besonderen Umstände der Straftat sowie die über diese
konkrete Straftat hinausreichende aktuelle öffentliche Diskussion über
das Verhalten von Militärangehörigen begründen ein gewichtiges
Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mit dem angeordneten
umfassenden Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen würde die
Antragstellerin unwiederbringlich gehindert, dem gegenwärtig besonders
lebhaften Interesse der Öffentlichkeit auch an einer
Bildberichterstattung über die beteiligten Personen Rechnung zu tragen.
Demgegenüber sind Beeinträchtigungen des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts der Richter und Schöffen aus einer Anfertigung und
Verbreitung von Filmaufnahmen von diesen hinzunehmen, da sie kraft des
ihnen übertragenen Amtes anlässlich einer öffentlichen Verhandlung
ohnedies im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der
Medienöffentlichkeit stehen. Eine Beeinträchtigung von Belangen der
Wahrheitsfindung aus der Zulassung von Filmaufnahmen der Angeklagten und
ihrer Verteidiger steht gleichfalls nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die Rechtsanwälte haben in ihrer
Funktion als Organ der Rechtspflege grundsätzlich Aufnahmen hinzunehmen,
soweit sie als Beteiligte in einem Verfahren mitwirken, an dessen
bildlicher Darstellung ein öffentliches Informationsinteresse besteht.
Bei den Angeklagten handelt es sich um Unteroffiziere der Bundeswehr und
damit um einen Personenkreis, bei dem die Fähigkeit vorausgesetzt werden
darf, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit auch in ungewohnten
Situationen gewachsen zu zeigen. Werden Filmaufnahmen der Angeklagten
vor der Weitergabe und Veröffentlichung anonymisiert, wiegen die aus den
verbleibenden Möglichkeiten ihrer Identifizierung zu erwartenden
Nachteile gering.

Pressemitteilung Nr. 30/2007 vom 16. März 2007

Zum Beschluss vom 15. März 2007 – 1 BvR 620/07 –

12 März 2007

BVerfG zum Tornado-Einsatz in Afghanistan

Eilantrag gegen Tornado-Einsatz abgelehnt

Am 9. März 2007 stimmte der Deutsche Bundestag dem Antrag der
Bundesregierung zur Entsendung von Aufklärungsflugzeugen des Typs
Tornado nach Afghanistan zu. Hiergegen richtet sich die Organklage
zweier Bundestagsabgeordneter, verbunden mit dem Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts
hat den Eilantrag mit Beschluss vom heutigen Tage abgelehnt. Für eine
einstweilige Anordnung ist kein Raum, da die in der Hauptsache
gestellten Anträge unzulässig sind. Soweit die Antragsteller mit ihrer
Klage Rechte des Bundestages geltend machen, sind sie hierzu nicht
befugt. Soweit sie die Verletzung eigener Rechte rügen, haben sie eine
Verletzung oder Gefährdung ihrer Statusrechte als Abgeordnete nicht
dargetan.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Soweit die Antragsteller geltend machen, die Bundesregierung habe Rechte
des Bundestages aus Art. 59 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 2 GG verletzt, indem
sie es unterlassen habe, einem „das Zustimmungsgesetz zum NATO-Vertrag
überschreitenden stillen Bedeutungswandel von Art. 1 NATO-Vertrag
entgegenzuwirken“, und sich „aktiv an diesem Bedeutungswandel beteiligt“
habe, setzt die Zulässigkeit des Antrags voraus, dass die Antragsteller
befugt sind, Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft
geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
ist der einzelne Abgeordnete aber nicht befugt, solche Rechte im
Organstreit als Prozessstandschafter geltend zu machen.

Soweit die Antragsteller eine Verletzung eigener Rechte durch Maßnahmen
oder Unterlassungen der Bundesregierung geltend machen, fehlt es bereits
an der schlüssigen Darlegung eines die Antragsteller und die
Bundesregierung umschließenden Verfassungsrechtsverhältnisses. Der
Vortrag der Antragsteller, die Bundesregierung verletze sie in ihren
Rechten, indem sie an einer Änderung des NATO-Vertrages ohne formelle,
gemäß Art. 59 Abs. 2 GG einen Gesetzesbeschluss des Bundestages
erfordernde Vertragsänderung mitwirke, ist nicht geeignet, ein
derartiges Rechtsverhältnis darzulegen. Die Frage nach dem
verfassungsrechtlichen Erfordernis eines Zustimmungsgesetzes nach Art.
59 Abs. 2 GG betrifft die Abgrenzung der Kompetenzen von Bundestag und
Bundesregierung und berührt nicht den Status des einzelnen Abgeordneten.

Mit ihrer Rüge, der Bundestag habe durch seinen Beschluss vom 9. März
2007 über den Antrag der Bundesregierung einen Militäreinsatz
ermöglicht, der nur nach Änderung des NATO-Vertrages unter
parlamentarischer Beteiligung in Form eines Zustimmungsgesetzes hätte
ermöglicht werden dürfen, haben die Antragsteller eine mögliche
Verletzung oder Gefährdung eigener Statusrechte ebenfalls nicht
dargetan. Der Status der Antragsteller wird nicht von der Frage berührt,
ob ein Beschluss des Bundestages rechtswirksam ist oder nicht. Das
Organstreitverfahren dient dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im
Verhältnis zueinander, nicht einer allgemeinen Verfassungsaufsicht.

Pressemitteilung Nr. 29/2007 vom 12. März 2007

Zum Beschluss vom 12. März 2007 – 2 BvE 1/07 –

08 März 2007

BVerfG zum Schlichtungsrecht

Die im Gütestellen- und Schlichtungsgesetz des Landes Nordrhein-
Westfalen vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines
außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens vor einer Inanspruchnahme der
staatlichen Gerichte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Insbesondere verstößt die Regelung nicht gegen den allgemeinen
Justizgewährungsanspruch. Mit dieser Begründung hat die 1. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde
eines Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung angenommen, dessen
Schadenersatzklage über 310 DM vom Amtsgericht wegen Nichtdurchführung
eines Schlichtungsverfahrens abgewiesen worden war.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Regelung über die obligatorische Streitschlichtung, die der
einverständlichen Konfliktbewältigung und damit der Entlastung der
Ziviljustiz dient, belastet den Rechtsuchenden nicht unangemessen. Ihm
wird in keinem Fall der Zugang zu den staatlichen Gerichten versperrt.
Die Regelung erschwert ihn zwar und führt bei einem Scheitern des
Einigungsversuchs zu Verzögerungen und höheren Kosten. Dieser möglichen
Beeinträchtigung stehen aber hinreichende Vorteile für den
Rechtsuchenden gegenüber. Im Erfolgsfalle führt die außergerichtliche
Streitschlichtung dazu, dass eine Inanspruchnahme der staatlichen
Gerichte wegen der schon erreichten Einigung entbehrlich ist, so dass
die Streitschlichtung für die Betroffenen kostengünstiger und vielfach
wohl auch schneller erfolgen kann als eine gerichtliche
Auseinandersetzung.

Der Gesetzgeber durfte auch davon ausgehen, dass die gesetzlichen
Eignungskriterien, die für die als Gütestellen handelnden Personen
maßgeblich sind, nicht voll mit denen identisch sein müssen, die für den
Einsatz rechtsberatender Berufe kennzeichnend sind. Der Erfolg eines auf
eine einverständliche Konfliktbewältigung zielenden Verfahrens kann auch
davon abhängen, dass nicht nur die rechtliche Prägung eines Konflikts
beachtet wird, sondern auch andere Gesichtspunkte einbezogen werden,
etwa die Beziehung der Parteien belastende und in der Folge den Konflikt
prägende Elemente.

Eine restriktive Auslegung der Regelung dahingehend, dass bei
erkennbarer Aussichtslosigkeit die Durchführung des
Schlichtungsverfahrens entbehrlich wird, ist verfassungsrechtlich nicht
geboten. Der Gesetzgeber durfte typisierend davon ausgehen, dass der
erfolglose Verlauf vorprozessualer Gespräche zwischen den Parteien nicht
zwingend auf die Aussichtslosigkeit eines Schlichtungsverfahrens
hindeutet.

Pressemitteilung Nr. 28/2007 vom 8. März 2007

Zum Beschluss vom 14. Februar 2007 – 1 BvR 1351/01 –

07 März 2007

BVerfG zu anwaltlichen Erfolgshonoraren

Gesetzliches Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare muss Ausnahmetatbestand zulassen

Die Bundesrechtsanwaltsordnung untersagt Rechtsanwälten Vereinbarungen,
durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom
Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen
der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar
erhält. Vergleichbare Regelungen bestehen für Patentanwälte, für
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sowie für Wirtschaftsprüfer. Im
vorliegenden Fall macht eine Rechtsanwältin die Verfassungswidrigkeit
des Verbots anwaltlicher Erfolgshonorare geltend. Sie war 1990 von zwei
in den USA lebenden Mandanten beauftragt worden, deren Ansprüche wegen
eines in Dresden gelegenen Grundstücks durchzusetzen, das dem Großvater
der Mandanten gehört hatte und von den nationalsozialistischen
Machthabern enteignet worden war. Der Rechtsanwältin wurde angeboten,
dass sie als Honorar ein Drittel des erstrittenen Betrages erhalten
sollte. In der Folgezeit erwirkte die Beschwerdeführerin zugunsten ihrer
Mandanten eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 312.000 DM. Hiervon
erhielt sie absprachegemäß 104.000 DM. Das Anwaltsgericht bewertete die
Streitanteilsvergütung als Verstoß gegen die Grundpflichten eines
Rechtsanwalts und erteilte der Beschwerdeführerin deswegen einen Verweis
und verurteilte sie zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 25.000 €, die
der Anwaltsgerichtshof auf 5.000 € herabsetzte.

Die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwältin, mit der diese die
Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verbots anwaltlicher
Erfolgshonorare geltend machte, war teilweise erfolgreich. Der Erste
Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass das gesetzliche
Verbot mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung insoweit nicht
vereinbar ist, als das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht und damit das
Verbot selbst dann zu beachten ist, wenn der Rechtsanwalt mit der
Vereinbarung eines Erfolgshonorars besonderen Umständen in der Person
des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten,
seine Rechte zu verfolgen. Der Gesetzgeber hat bis zum 30. Juni 2008
eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleibt das gesetzliche Verbot
anwaltlicher Erfolgshonorare jedoch anwendbar; deshalb hat das
Bundesverfassungsgericht die im vorliegenden Fall ausgesprochene
berufsgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin
verfassungsrechtlich nicht beanstandet.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Mit dem Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare verfolgt der Gesetzgeber
Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen und daher die
Beschränkung der Berufsausübung der Rechtsanwälte legitimieren können.
Das Verbot dient zum einen dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit,
die unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Rechtspflege
ist. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der
Gesetzgeber die anwaltliche Unabhängigkeit bei Vereinbarung eines
Erfolgshonorars gefährdet sieht. So kann die zur Wahrung der
Unabhängigkeit gebotene kritische Distanz des Rechtsanwalts zum Anliegen
des Auftraggebers Schaden nehmen, wenn sich ein Rechtsanwalt auf eine
Teilhabe am Erfolgsrisiko einer Rechtsangelegenheit eingelassen hat. Vor
allem aber liegt die Befürchtung nicht völlig fern, dass mit der
Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung für unredliche
Berufsträger ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden kann, den Erfolg
„um jeden Preis“ auch durch Einsatz unlauterer Mittel anzustreben. Ein
weiterer legitimer Zweck des Verbots von Erfolgshonoraren ist in dem
Schutz der Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch überhöhte
Vergütungssätze zu sehen. Einem unredlichen Rechtsanwalt ist es möglich,
den Mandanten durch unzutreffende Darstellung der Erfolgsaussichten oder
übertriebene Schilderung des zu erwartenden Arbeitsaufwandes zur
Vereinbarung einer unangemessen hohen Vergütung zu bewegen. Schließlich
ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber
die Zulässigkeit eines Erfolgshonorars als Gefährdung der prozessualen
Waffengleichheit einschätzt, weil der Beklagte – im Gegensatz zum Kläger
– nicht über die Möglichkeit verfügt, sein Kostenrisiko auf
vergleichbare Art zu verlagern. Zur Verfolgung dieser Gemeinwohlziele
kann das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare auch als geeignet und
erforderlich angesehen werden.

Das Verbot von Erfolgshonoraren ist jedoch insoweit unangemessen, als es
keine Ausnahmen zulässt und damit selbst dann zu beachten ist, wenn der
Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung
besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die
diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Bei der
Entscheidung der Rechtsuchenden über die Inanspruchnahme anwaltlicher
Hilfe ist die Kostenfrage von maßgebender Bedeutung. Auch Rechtsuchende,
die auf Grund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine
Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beanspruchen können, können vor
der Entscheidung stehen, ob es ihnen die eigene wirtschaftliche Lage
vernünftigerweise erlaubt, die finanziellen Risiken einzugehen, die
angesichts des unsicheren Ausgangs der Angelegenheit mit der
Inanspruchnahme qualifizierter rechtlicher Betreuung und Unterstützung
verbunden sind. Nicht wenige Betroffene werden das Kostenrisiko auf
Grund verständiger Erwägungen scheuen und daher von der Verfolgung ihrer
Rechte absehen. Für diese Rechtsuchenden ist das Bedürfnis anzuerkennen,
das geschilderte Risiko durch Vereinbarung einer erfolgsbasierten
Vergütung zumindest teilweise auf den vertretenden Rechtsanwalt zu
verlagern. In solchen Fällen fördert die Unzulässigkeit anwaltlicher
Erfolgshonorare nicht die Rechtsschutzgewährung, sondern erschwert den
Weg zu ihr.

Der Gesetzgeber kann dieses Regelungsdefizit dadurch beseitigen, dass er
zwar an dem Verbot grundsätzlich festhält, jedoch für die oben genannte
Fallgruppe einen Ausnahmetatbestand eröffnet. Zum Schutz der
Vermögensinteressen der Rechtsuchenden und zum Schutz des Vertrauens in
die Anwaltschaft kann außerdem die Wirksamkeit der Vereinbarung eines
Erfolgshonorars von der Erfüllung vergütungsbezogener
Informationspflichten des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten abhängig
gemacht werden. Schließlich ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dem
verfassungswidrigen Regelungsdefizit dadurch die Grundlage zu entziehen,
dass das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare völlig aufgegeben oder an
ihm nur noch unter engen Voraussetzungen, wie etwa im Fall
unzulänglicher Aufklärung des Mandanten, festgehalten wird.

Pressemitteilung Nr. 27/2007 vom 7. März 2007

Zum Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 1 BvR 2576/04 –

02 März 2007

Halbe: Beschwerde der Rechten erfolglos

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat heute die Beschwerde des Veranstalters der Versammlung unter dem Motto “Die Treue ist das Mark der Ehre“ gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom gestrigen Tage zurückgewiesen. Die Versammlung sollte auf dem Vorplatz des Waldfriedhofs Halbe stattfinden. Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat die Auffassung des Verwaltungsgerichts bestätigt, wonach dem Veranstalter der Versammlung kein Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung nach dem im Oktober 2006 in Kraft getretenen Gräberstätten-Versammlungsgesetz des Landes Brandenburg zustehe, um eine solche Versammlung in dem durch das Gesetz geschützten Bereich in unmittelbarer Nähe zur Gräberstätte abzuhalten. Auch nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist nämlich durch den äußeren Ablauf und den Gegenstand der Versammlung konkret zu befürchten, dass mit dem Aufzug an Formen oder Inhalte nationalsozialistischen Heldengedenkens angeknüpft wird. In einem solchen Fall darf nach dem Gesetz eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gräberstätten-Versammlungsgesetzes). Das Oberverwaltungsgericht hat bei seiner Bewertung nicht nur das Motto der Versammlung und den zeitlichen Zusammenhang mit Heldengedenkveranstaltungen des NS-Regimes berücksichtigt, sondern auch den Inhalt von Internetaufrufen eines „Freundeskreises Halbe“, die der Veranstalter sich für die Einschätzung des Inhalts seiner Versammlung zurechnen lassen muss.

Beschluss vom 2. März 2007 - OVG 1 S 24.07 -
Pressemitteilung Berlin, den 02.03.2007 - 10/2007