Gesetzliches Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare muss Ausnahmetatbestand zulassen
Die Bundesrechtsanwaltsordnung untersagt Rechtsanwälten Vereinbarungen,
durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom
Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen
der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar
erhält. Vergleichbare Regelungen bestehen für Patentanwälte, für
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sowie für Wirtschaftsprüfer. Im
vorliegenden Fall macht eine Rechtsanwältin die Verfassungswidrigkeit
des Verbots anwaltlicher Erfolgshonorare geltend. Sie war 1990 von zwei
in den USA lebenden Mandanten beauftragt worden, deren Ansprüche wegen
eines in Dresden gelegenen Grundstücks durchzusetzen, das dem Großvater
der Mandanten gehört hatte und von den nationalsozialistischen
Machthabern enteignet worden war. Der Rechtsanwältin wurde angeboten,
dass sie als Honorar ein Drittel des erstrittenen Betrages erhalten
sollte. In der Folgezeit erwirkte die Beschwerdeführerin zugunsten ihrer
Mandanten eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 312.000 DM. Hiervon
erhielt sie absprachegemäß 104.000 DM. Das Anwaltsgericht bewertete die
Streitanteilsvergütung als Verstoß gegen die Grundpflichten eines
Rechtsanwalts und erteilte der Beschwerdeführerin deswegen einen Verweis
und verurteilte sie zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 25.000 €, die
der Anwaltsgerichtshof auf 5.000 € herabsetzte.
Die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwältin, mit der diese die
Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verbots anwaltlicher
Erfolgshonorare geltend machte, war teilweise erfolgreich. Der Erste
Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass das gesetzliche
Verbot mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung insoweit nicht
vereinbar ist, als das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht und damit das
Verbot selbst dann zu beachten ist, wenn der Rechtsanwalt mit der
Vereinbarung eines Erfolgshonorars besonderen Umständen in der Person
des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten,
seine Rechte zu verfolgen. Der Gesetzgeber hat bis zum 30. Juni 2008
eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleibt das gesetzliche Verbot
anwaltlicher Erfolgshonorare jedoch anwendbar; deshalb hat das
Bundesverfassungsgericht die im vorliegenden Fall ausgesprochene
berufsgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin
verfassungsrechtlich nicht beanstandet.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Mit dem Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare verfolgt der Gesetzgeber
Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen und daher die
Beschränkung der Berufsausübung der Rechtsanwälte legitimieren können.
Das Verbot dient zum einen dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit,
die unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Rechtspflege
ist. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der
Gesetzgeber die anwaltliche Unabhängigkeit bei Vereinbarung eines
Erfolgshonorars gefährdet sieht. So kann die zur Wahrung der
Unabhängigkeit gebotene kritische Distanz des Rechtsanwalts zum Anliegen
des Auftraggebers Schaden nehmen, wenn sich ein Rechtsanwalt auf eine
Teilhabe am Erfolgsrisiko einer Rechtsangelegenheit eingelassen hat. Vor
allem aber liegt die Befürchtung nicht völlig fern, dass mit der
Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung für unredliche
Berufsträger ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden kann, den Erfolg
„um jeden Preis“ auch durch Einsatz unlauterer Mittel anzustreben. Ein
weiterer legitimer Zweck des Verbots von Erfolgshonoraren ist in dem
Schutz der Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch überhöhte
Vergütungssätze zu sehen. Einem unredlichen Rechtsanwalt ist es möglich,
den Mandanten durch unzutreffende Darstellung der Erfolgsaussichten oder
übertriebene Schilderung des zu erwartenden Arbeitsaufwandes zur
Vereinbarung einer unangemessen hohen Vergütung zu bewegen. Schließlich
ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber
die Zulässigkeit eines Erfolgshonorars als Gefährdung der prozessualen
Waffengleichheit einschätzt, weil der Beklagte – im Gegensatz zum Kläger
– nicht über die Möglichkeit verfügt, sein Kostenrisiko auf
vergleichbare Art zu verlagern. Zur Verfolgung dieser Gemeinwohlziele
kann das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare auch als geeignet und
erforderlich angesehen werden.
Das Verbot von Erfolgshonoraren ist jedoch insoweit unangemessen, als es
keine Ausnahmen zulässt und damit selbst dann zu beachten ist, wenn der
Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung
besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die
diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Bei der
Entscheidung der Rechtsuchenden über die Inanspruchnahme anwaltlicher
Hilfe ist die Kostenfrage von maßgebender Bedeutung. Auch Rechtsuchende,
die auf Grund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine
Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beanspruchen können, können vor
der Entscheidung stehen, ob es ihnen die eigene wirtschaftliche Lage
vernünftigerweise erlaubt, die finanziellen Risiken einzugehen, die
angesichts des unsicheren Ausgangs der Angelegenheit mit der
Inanspruchnahme qualifizierter rechtlicher Betreuung und Unterstützung
verbunden sind. Nicht wenige Betroffene werden das Kostenrisiko auf
Grund verständiger Erwägungen scheuen und daher von der Verfolgung ihrer
Rechte absehen. Für diese Rechtsuchenden ist das Bedürfnis anzuerkennen,
das geschilderte Risiko durch Vereinbarung einer erfolgsbasierten
Vergütung zumindest teilweise auf den vertretenden Rechtsanwalt zu
verlagern. In solchen Fällen fördert die Unzulässigkeit anwaltlicher
Erfolgshonorare nicht die Rechtsschutzgewährung, sondern erschwert den
Weg zu ihr.
Der Gesetzgeber kann dieses Regelungsdefizit dadurch beseitigen, dass er
zwar an dem Verbot grundsätzlich festhält, jedoch für die oben genannte
Fallgruppe einen Ausnahmetatbestand eröffnet. Zum Schutz der
Vermögensinteressen der Rechtsuchenden und zum Schutz des Vertrauens in
die Anwaltschaft kann außerdem die Wirksamkeit der Vereinbarung eines
Erfolgshonorars von der Erfüllung vergütungsbezogener
Informationspflichten des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten abhängig
gemacht werden. Schließlich ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dem
verfassungswidrigen Regelungsdefizit dadurch die Grundlage zu entziehen,
dass das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare völlig aufgegeben oder an
ihm nur noch unter engen Voraussetzungen, wie etwa im Fall
unzulänglicher Aufklärung des Mandanten, festgehalten wird.
Pressemitteilung Nr. 27/2007 vom 7. März 2007
Zum Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 1 BvR 2576/04 –