Eilantrag des ZDF gegen Film-Verbot weitgehend erfolgreich
Am 19. März 2007 beginnt vor dem Landgericht Münster die auf mehrere
Tage angesetzte Verhandlung gegen 18 Bundeswehrausbilder, die ihre
Untergebenen in einer Kaserne im westfälischen Coesfeld misshandelt
haben sollen. Im Vorfeld der Verhandlung ordnete das Gericht den
Ausschluss von Foto- und Fernsehteams aus dem Sitzungssaal für einen
Zeitraum von 15 Minuten vor Prozessbeginn und 10 Minuten nach
Prozessende an. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde des
ZDF, das eine Fernsehberichterstattung über das Strafverfahren
beabsichtigt. Zugleich hat das ZDF den Antrag gestellt, im Wege des
vorläufigen Rechtsschutzes seinem dreiköpfigen Fernsehteam die
Anfertigung von Filmaufnahmen bis zum Einzug des Gerichts in den
Sitzungssaal zu ermöglichen.
Der Eilantrag des ZDF war weitgehend erfolgreich. Die 1. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Vorsitzenden der 8.
Strafkammer des Landgerichts Münster angewiesen, dem Fernsehteam des ZDF
zu ermöglichen, vor Beginn und am Ende der Verhandlungen Filmaufnahmen
der im Sitzungssaal anwesenden Verfahrensbeteiligten einschließlich der
Angeklagten zu fertigen, und hierbei die Anwesenheit der Richter und
Schöffen der Strafkammer im Sitzungssaal zu gewährleisten. Die
Fernsehbilder dürfen jedoch nur nach Anonymisierung der Gesichter der
Angeklagten weitergegeben und veröffentlicht werden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Bei der gebotenen Abwägung kommt den Belangen der Antragstellerin
Vorrang zu. Die besonderen Umstände der Straftat sowie die über diese
konkrete Straftat hinausreichende aktuelle öffentliche Diskussion über
das Verhalten von Militärangehörigen begründen ein gewichtiges
Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mit dem angeordneten
umfassenden Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen würde die
Antragstellerin unwiederbringlich gehindert, dem gegenwärtig besonders
lebhaften Interesse der Öffentlichkeit auch an einer
Bildberichterstattung über die beteiligten Personen Rechnung zu tragen.
Demgegenüber sind Beeinträchtigungen des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts der Richter und Schöffen aus einer Anfertigung und
Verbreitung von Filmaufnahmen von diesen hinzunehmen, da sie kraft des
ihnen übertragenen Amtes anlässlich einer öffentlichen Verhandlung
ohnedies im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der
Medienöffentlichkeit stehen. Eine Beeinträchtigung von Belangen der
Wahrheitsfindung aus der Zulassung von Filmaufnahmen der Angeklagten und
ihrer Verteidiger steht gleichfalls nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die Rechtsanwälte haben in ihrer
Funktion als Organ der Rechtspflege grundsätzlich Aufnahmen hinzunehmen,
soweit sie als Beteiligte in einem Verfahren mitwirken, an dessen
bildlicher Darstellung ein öffentliches Informationsinteresse besteht.
Bei den Angeklagten handelt es sich um Unteroffiziere der Bundeswehr und
damit um einen Personenkreis, bei dem die Fähigkeit vorausgesetzt werden
darf, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit auch in ungewohnten
Situationen gewachsen zu zeigen. Werden Filmaufnahmen der Angeklagten
vor der Weitergabe und Veröffentlichung anonymisiert, wiegen die aus den
verbleibenden Möglichkeiten ihrer Identifizierung zu erwartenden
Nachteile gering.
Pressemitteilung Nr. 30/2007 vom 16. März 2007
Zum Beschluss vom 15. März 2007 – 1 BvR 620/07 –