18 März 2008

BVerfG zur Bildberichterstattung über Prominente

Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen

Beschwerdeführer sind Prinzessin Caroline von Hannover und zwei
Presseverlage. Die Verlegerin der Zeitschrift "Frau im Spiegel" hatte
über eine Erkrankung des Fürsten Rainier von Monaco, über eine mögliche
Teilnahme der Beschwerdeführerin an einem Gesellschaftsball sowie über
einen beliebten Wintersportort berichtet und den Beiträgen jeweils
Fotografien beigegeben, welche die Beschwerdeführerin zusammen mit
ihrem Ehemann im Urlaub zeigen. Die Verlegerin der Zeitschrift "7 Tage"
hatte über die Vermietung einer Ferienvilla der Eheleute berichtet und
diesen Beitrag mit einem Foto bebildert, das die Beschwerdeführerin
zusammen mit ihrem Ehemann im Urlaub zeigt.

Die Unterlassungsklagen der Beschwerdeführerin Caroline von Hannover
vor den Zivilgerichten waren gegen die Bildberichterstattung gerichtet.
Der Bundesgerichtshof ließ nur die Veröffentlichung des Fotos zu, mit
dem der Beitrag über eine Erkrankung des Fürsten von Monaco bebildert
war. Im Übrigen bestätigte er das von den Vorinstanzen ausgesprochene
Verbot, insbesondere billigte er das Verbot des Fotos, das dem Beitrag
über die Vermietung der Ferienvilla beigegeben war.

Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführerin Caroline von Hannover
und der Verlegerin der Zeitschrift "Frau im Spiegel" hatten keinen
Erfolg. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest,
dass der Bundesgerichtshof die berührten Belange beider Parteien in
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einander zugeordnet
und dabei auch die maßgeblichen Vorgaben aus der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt hat (1 BvR
1602/07 und 1 BvR 1626/07).

Die Verfassungsbeschwerde des die Zeitschrift "7 Tage" verlegenden
Verlages hatte dagegen Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen
verletzen den Verlag in seiner Pressefreiheit. Den Erwägungen der
Gerichte lässt sich nicht zureichend entnehmen, warum der Gegenstand
der Wortberichterstattung, der die Vermietung der Ferienvilla betrifft,
nicht die Beigabe einer visuellen Darstellung der Beschwerdeführerin
rechtfertigt (1 BvR 1606/07).

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Die Grundrechte der Pressefreiheit und des Schutzes der
Persönlichkeit sind nicht vorbehaltlos gewährleistet. Zu den die
Pressefreiheit beschränkenden allgemeinen Gesetzen zählen unter
anderem die Vorschriften der §§ 22 ff. des Kunsturhebergesetzes
(KUG) und die Rechtsgrundsätze des zivilrechtlichen
Persönlichkeitsschutzes, aber auch das in Art. 8 EMRK verankerte
Recht auf Achtung des Privatlebens. Die in dem Kunsturhebergesetz
enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte
Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteil der
verfassungsmäßigen Ordnung den Persönlichkeitsschutz.

Auch die "bloße Unterhaltung" nimmt am Schutz der Pressefreiheit
teil. Unterhaltung kann wichtige gesellschaftliche Funktionen
erfüllen, so wenn sie Realitätsbilder vermittelt und
Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellt, an die sich
Diskussionsprozesse anschließen können, die sich auf
Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen.
Der Schutz der Pressefreiheit umfasst auch unterhaltende Beiträge
über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen und ihres
sozialen Umfelds, insbesondere der ihnen nahestehenden Personen.
Es würde die Pressefreiheit in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG
unvereinbaren Weise einengen, bliebe die Lebensführung dieses
Personenkreises einer Berichterstattung außerhalb der von ihnen
ausgeübten Funktionen entzogen. Dabei dürfen nicht nur skandalöse,
sittlich oder rechtlich zu beanstandende Verhaltensweisen, sondern
auch die Normalität des Alltagslebens und in keiner Weise
anstößige Handlungsweisen prominenter Personen der Öffentlichkeit
vor Augen geführt werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen
von allgemeinem Interesse dienen kann.

II. Von der Pressefreiheit ist die Befugnis der Massenmedien umfasst,
selbst zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten. Dabei
haben sie den Persönlichkeitsschutz Betroffener zu
berücksichtigen. Im Streitfall allerdings obliegt die maßgebliche
Gewichtung des Informationsinteresses bei der Abwägung mit
gegenläufigen Interessen der Betroffenen den Gerichten. Im Zuge
der Gewichtung des Informationsinteresses haben diese allerdings
von einer inhaltlichen Bewertung der Darstellung als wertvoll oder
wertlos abzusehen und sind auf die Prüfung und Feststellung
begrenzt, in welchem Ausmaß der Bericht einen Beitrag für den
Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu leisten vermag. Für
die Gewichtung des Persönlichkeitsschutzes wird neben den
Umständen der Gewinnung der Abbildung etwa durch Ausnutzung von
Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung auch bedeutsam, in
welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt
wird. Dem Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts kann insoweit
auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen
Abgeschiedenheit ein erhöhtes Gewicht zukommen, so wenn die
Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der
Entspannung und des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in
die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst, wenn er erwarten
darf, keinen Bildnachstellungen ausgesetzt zu sein. Das
Schutzbedürfnis ist infolge des Fortschritts der Aufnahmetechnik
und der Verfügbarkeit kleiner Aufnahmegeräte gestiegen.

Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur
Bildung der öffentlichen Meinung beitragen. Das Grundrecht aus
Art. 5 Abs. 1 GG gebietet allerdings nicht, generell zu
unterstellen, dass mit jedweder visuellen Darstellung aus dem
Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur
Meinungsbildung verbunden ist. Auch bisher hat das
Bundesverfassungsgericht nicht anerkannt, dass die Presse einen
schrankenlosen Zugriff auf Personen der Zeitgeschichte nehmen
darf, sondern hat Bildveröffentlichungen nur insoweit als
gerechtfertigt angesehen, als dem Publikum sonst Möglichkeiten der
Meinungsbildung vorenthalten werden. Verfassungsrechtlich nicht
gewährleistet ist demgegenüber, dass eine Person von
zeitgeschichtlichem Interesse bei Aufenthalten außerhalb einer
Situation räumlicher Abgeschiedenheit stets und ohne
Beschränkungen für die Zwecke medialer Berichterstattung
fotografiert werden darf.

III. Es ist Sache der Fachgerichte, den Informationswert einer
Berichterstattung und ihrer Bebilderung anhand des Bezugs zur
öffentlichen Meinungsbildung zu ermitteln und der Pressefreiheit
abwägend die mit der Gewinnung und Verbreitung einer Abbildung
verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsschutzes
gegenüber zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die
Nachprüfung beschränkt, ob die Fachgerichte bei der Auslegung und
Anwendung der Vorschriften des einfachen Rechts und insbesondere
bei der Abwägung miteinander kollidierender Rechtsgüter den
Grundrechtseinfluss sowie die auch verfassungsrechtlich zu
beachtenden Maßgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention
ausreichend beachtet haben. Dass das Abwägungsergebnis auch anders
hätte ausfallen können, ist kein hinreichender Grund für die
verfassungsgerichtliche Korrektur einer Entscheidung der
Fachgerichte.

IV. Nach diesen Maßstäben gilt im konkreten Fall folgendes:

1. Der Bundesgerichtshof war verfassungsrechtlich nicht
grundsätzlich gehindert, bei der rechtlichen Beurteilung der
Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung
von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und sein
Schutzkonzept durch einen Verzicht auf eine Nutzung der bisher
in Anlehnung an die Literatur entwickelten Rechtsfigur der
Person der Zeitgeschichte zu modifizieren. Da der Begriff der
Person der Zeitgeschichte verfassungsrechtlich nicht vorgegeben
ist, steht es den Fachgerichten von Verfassungs wegen frei, ihn
in Zukunft nicht oder nur noch begrenzt zu nutzen und
stattdessen im Wege der einzelfallbezogenen Abwägung über das
Vorliegen eines Bildnisses aus dem "Bereich der Zeitgeschichte"
zu entscheiden.

2. Nach den aufgezeigten Maßstäben erweisen sich die
Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin Caroline von
Hannover und des die Zeitschrift "Frau im Spiegel" verlegenden
Verlages als nicht begründet. Der Bundesgerichtshof hat die
berührten Belange beider Parteien in verfassungsrechtlich nicht
zu beanstandender Weise zugeordnet und dabei auch die
maßgeblichen Vorgaben aus der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt. Insbesondere
durfte der Bundesgerichtshof - auch nach den Maßstäben der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - in der
Berichterstattung über eine Erkrankung des regierenden Fürsten
von Monaco ein Ereignis von allgemeinem Interesse sehen, das
einen hinreichenden Bezug zu der veröffentlichten Abbildung
aufweist.

3. Hingegen ist die Pressefreiheit verletzt, indem der Verlegerin
der Zeitschrift "7 Tage" die Beigabe einer visuellen
Darstellung der Beschwerdeführerin zu einem Beitrag über die
Vermietung einer Ferienvilla in Kenia verboten worden ist. Die
Gerichte haben es unterlassen, den Informationsgehalt des
Berichts näher zu würdigen, der in der Zeitschrift mit den
Worten eingeleitet werden war "Auch die Reichen und Schönen
sind sparsam. Viele vermieten ihre Villen an zahlende Gäste".
In dem Bericht ging es nicht um die Beschreibung einer
Urlaubsszene als Teil des Privatlebens. Vielmehr wurde ein
Bericht über die Vermietung einer Ferienvilla der Eheleute
und über ähnliche Aktionen anderer Prominenter mit wertenden
Anmerkungen kommentiert, die Anlass für sozialkritische
Überlegungen der Leser sein können. Die auf dem verwendeten
Lichtbild dargestellte Situation lässt auch nichts dafür
erkennen, dass die Prinzessin von Hannover bei einer in
besonderem Maße typischen Entspannungsbedürfnissen gewidmeten
und daher gegenüber medialer Aufmerksamkeit und Darstellung in
erhöhtem Umfang schutzbedürftigen Tätigkeit abgebildet worden
war. Das von dem Bundesgerichtshof bestätigte Verbot war daher
aufzuheben und muss erneut anhand der von dem Senat
aufgezeigten Maßstäbe überprüft werden.

Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 35/2008 vom 18. März 2008

Beschluss vom 26. Februar 2008
– 1 BvR 1602/07; 1 BvR 1606/07; 1 BvR 1626/07 –