Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Ersetzung der Einwilligungdes leiblichen Vaters in Stiefkindadoption
Die Verfassungsbeschwerde des leiblichen Vaters eines nichtehelichgeborenen Kindes gegen dessen Adoption durch den Ehemann derKindesmutter war erfolgreich.
Die 1. Kammer des Ersten Senats hob dieangegriffenen Entscheidungen, mit denen die Einwilligung des leiblichenVaters in die Adoption ersetzt worden war, auf. Sie genügten nicht den –auf dem Gleichheitssatz gründenden – verfassungsrechtlichenAnforderungen einer umfassenden Interessenabwägung zwischen denInteressen des Kindes und denen des Vaters.
Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:
Grundsätzlich ist zur Adoption eines Kindes die Einwilligung beiderElternteile nötig. In bestimmten Ausnahmefällen ermöglicht das Gesetzdie Adoption des Kindes aber auch gegen den Willen eines Elternteils.Bei einem besonders schweren, vollständigen Versagen eines Elternteilsin seiner Verantwortung gegenüber dem Kind kann die Einwilligung diesesElternteils durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Für nichteheliche Väter, die die elterliche Sorge weder innehaben noch innegehabt haben, enthält § 1748 Abs. 4 BGB eine besondere Regelung. Danachist die Einwilligung bereits dann zu ersetzen, wenn das Unterbleiben derAdoption dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde.
Der Beschwerdeführer ist Vater eines im Januar 1987 nichtehelich geborenen Sohnes. Er erkannte die Vaterschaft gleich nach der Geburt an.Zu dieser Zeit lebte er mit der Mutter des Kindes zusammen. 1989 trennte sich die Mutter von ihm und heiratete im Sommer 1990 ihren jetzigenEhemann. Der letzte von der Kindesmutter gebilligte Kontakt des Beschwerdeführers mit seinem Sohn fand im Mai 1990 statt. Weitere Besuche wurden von der Mutter unterbunden. Nachdem der Ehemann derKindesmutter die Adoption des Kindes beantragt hatte, ersetzte dasAmtsgericht im Januar 2001 auf der Grundlage von § 1748 Abs. 4 BGB dieZustimmung des Beschwerdeführers in die Adoption. Rechtsmittel desBeschwerdeführers wurden vom Landgericht und Oberlandesgerichtzurückgewiesen. Die gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen erhobeneVerfassungsbeschwerde hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Nach § 1748 Abs. 4 BGB kann die Einwilligung eines zu keinem Zeitpunktsorgeberechtigt gewesenen Vaters eines nichtehelich geborenen Kindesunter leichteren Voraussetzungen ersetzt werden, als dies bei denübrigen Vätern der Fall ist. Gleichwohl ist die Regelung mit dem Gleichheitssatz vereinbar, da die Norm einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist, die eine Ungleichbehandlung verhindern kann. Wie schon der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. März 2005 festgestellt hat, erfordert die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung der Interessen von Vater und Kind, bei der Entscheidung über einebeantragte Adoption nur dann von einem „unverhältnismäßigen Nachteil“i.S. des § 1748 Abs. 4 BGB auszugehen, wenn die Adoption für das Kind einen so erheblichen Vorteil hat, dass ein sich verständig um das Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Verwandtschaftsbandes nicht bestehen würde. Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass auf Seiten des Vaters unter anderem zu erwägen sein werde, ob ein gelebtes Vater-Kind-Verhältnis bestehe oder bestanden habe oder welche Gründe denVater am Aufbau oder an der Aufrechterhaltung eines solchen Verhältnisses gehindert hätten. Der Sache nach hat der Bundesgerichtshofinsoweit geklärt, dass § 1748 Abs. 4 BGB (ebenso wie dies in den übrigen Fällen der Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils erforderlichist) eine Berücksichtigung des Vorverhaltens des Vaters verlangt. Damit hat der Bundesgerichtshof dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer Abwägung zwischen den Interessen des Kindes und denen des Vaters Rechnung getragen. Auf diese Weise wird eine wesentlicheUngleichbehandlung von nichtsorgeberechtigten nichtehelichen Vätern und den übrigen Vätergruppen vermieden. Die vom Beschwerdeführer angegriffenen Entscheidungen genügen nichtdiesen durch den Gleichheitssatz gebotenen Auslegungsmaßstäben. Die Fachgerichte haben im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägungder Interessen des Kindes mit denen des Beschwerdeführers diegrundrechtlich geschützten Interessen des Beschwerdeführers nicht angemessen gewürdigt. Sie haben sich auf die Feststellung beschränkt, dass zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kind seit elf Jahren faktisch keine Vater-Kind-Beziehung mehr bestehe. Nicht berücksichtigt wurde, dass der Beschwerdeführer zumindest einige Zeit mit dem Kind zusammen gelebt und seine Elternverantwortlichkeit wahrgenommen hat. Die verfassungsrechtlich gebotene Prüfung, welche Gründe den Vater an der Aufrechterhaltung eines gelebten Vater-Kind-Verhältnisses gehindert haben, haben die Gerichte ersichtlich nicht vorgenommen.