Verfassungsbeschwerde gegen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit
nach § 25 Staatsangehörigkeitsgesetz ohne Erfolg
Das am 15. Juli 1999 verkündete und am 1. Januar 2000 in Kraft getretene
Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) sieht in § 25 vor, dass ein Deutscher
seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen
Staatsangehörigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag hin
erfolgt. Nach der Vorläuferfassung der Vorschrift war dies nur für den
Fall vorgesehen, dass der Betroffene weder seinen Wohnsitz noch seinen
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Diese Inlandsklausel hat der
Gesetzgeber gestrichen, nachdem sie von zahlreichen Neubürgern dazu
genutzt worden war, die im Zusammenhang mit der Einbürgerung in den
deutschen Staatsverband aufgegebene frühere Staatsangehörigkeit
unmittelbar nach der Einbürgerung ohne Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit zurückzuerwerben. Von der Änderung, die dieser
Praxis die Grundlage entziehen sollte, ist eine große Zahl in
Deutschland lebender und hier eingebürgerter Personen betroffen.
Der Beschwerdeführer wurde im März 1999 in den deutschen Staatsverband
eingebürgert. Seine türkische Staatsangehörigkeit hatte er im
Zusammenhang damit aufgegeben. Auf seinen Antrag vom Juni 1999 erwarb er
im Februar 2001 erneut die türkische Staatsangehörigkeit. Daraufhin zog
die Stadt Frankfurt am Main die deutschen Ausweispapiere des
Beschwerdeführers ein. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Klage vor
den Verwaltungsgerichten. Nach seiner Auffassung müssen Personen, die
wie er den Antrag auf Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit noch zur
Zeit der Geltung der Inlandsklausel gestellt haben, aber erst nach dem
1. Januar 2000 in dem anderen Staat eingebürgert worden sind, von der
Anwendung des § 25 StAG ausgenommen werden. Seine Klage blieb ohne
Erfolg. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde von der 2.
Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur
Entscheidung angenommen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt. Bei dem im vorliegenden
Fall eingetretenen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit handelt es
sich nicht um eine verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit.
1. Eine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit an
den freiwilligen, antragsgemäßen Erwerb einer ausländischen
Staatsangehörigkeit knüpft, begegnet keinen grundsätzlichen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Betroffene hat es selbst in der
Hand, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten. Die unter
Umständen sich ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen
und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, ist auch
nicht als solche schon unzumutbar. Sie ist Folge der
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidung des
Gesetzgebers gegen eine uneingeschränkte Hinnahme von
Mehrstaatigkeit.
2. Die Anwendbarkeit des § 25 StAG auf Anträge, die vor dem
Inkrafttreten der Vorschrift gestellt wurden, läuft der
Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus, die Art. 16 Abs. 1 GG
gewährleistet, nicht zuwider. Auch der verfassungsrechtlich gebotene
Vertrauensschutz steht der Anwendung nicht entgegen.
Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 StAG weckt keinen Zweifel daran, dass
die Bestimmung Fälle des Erwerbs einer ausländischen
Staatsangehörigkeit auch dann erfasst, wenn der zugrunde liegende
Antrag schon vor ihrem Inkrafttreten gestellt wurde.
Die Disposition, die der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf
Rückerwerb der türkischen Staatsangehörigkeit getroffen hat, ist
schon insofern nur eingeschränkt schutzwürdig, als sie noch nach
Verkündung und sogar nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 25
StAG ohne besonderen Aufwand durch Rücknahme des Antrags hätte
rückgängig gemacht werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
der Beschwerdeführer besonderen Anlass hatte, sich über die
Rechtsfolgen des von ihm beantragten Rückerwerbs der türkischen
Staatsangehörigkeit auf dem Laufenden zu halten. Anlass, die
Entwicklung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage bis zum
Abschluss des in Gang gesetzten ausländischen
Wiedereinbürgerungsverfahrens weiter zu verfolgen, bestand hier vor
allem deshalb, weil der Beschwerdeführer mit dem Antrag auf
Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit eine Gesetzeslücke zu
nutzen beabsichtigte, deren Schließung der Gesetzgeber bereits seit
längerer Zeit erwog. Die Bedeutung, die das geltende deutsche
Staatsangehörigkeitsrecht trotz verschiedener Ausnahmen im Grundsatz
bis heute der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zumisst, stand dem
Beschwerdeführer, als er den Antrag auf Wiedererwerb der türkischen
Staatsangehörigkeit stellte, angesichts des eben erst abgeschlossenen
Einbürgerungsverfahrens deutlich vor Augen; denn in diesem Verfahren
war ihm die Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit abverlangt
worden. Also musste ihm bewusst sein, dass er durch die sofortige
Wiederbeantragung der türkischen Staatsangehörigkeit einen Umweg zu
der Doppelstaatsangehörigkeit wählte, die ihm der Gesetzgeber mit den
geltenden einbürgerungsrechtlichen Bestimmungen gerade verwehren
wollte, und dass er sich insofern anschickte, eine Gesetzeslücke zu
nutzen. Dies zu tun, stand ihm frei; er konnte aber nicht darauf
zählen, dass der Gesetzgeber keine Anstalten treffen würde, diese
Absicht zu durchkreuzen.
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 2/2007 vom 10. Januar 2007
Zum Beschluss vom 8. Dezember 2006 – 2 BvR 1339/06 –